Eine der ältesten Zeitungen im deutschsprachigen Raum feiert in diesem Jahr ihren 245. Geburtstag.
Von Johannes Götzen
Chefreporter Rheinhessen Süd
Mit Pferd und Wagen gelangte die Wormser Zeitung in den 1920er Jahren an den Bahnhof. Das Verlagshaus Kranzbühler Gebr. Cnyrim druckte die WZ bis 1943.
(Archivfoto: Stadtarchiv Worms)
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WORMS - 75 Jahre Allgemeine Zeitung, das ist natürlich ein sehr guter Grund, die Gläser klingen zu lassen, keine Frage. Aber ganz ehrlich: Wir bei der Wormser Zeitung, wir schmunzeln da ein bisschen. Auch wenn wir beide Teil der VRM sind. Aber dazu später mehr. Zunächst gilt es schlicht festzustellen: Die Wormser Zeitung ist 245 Jahre alt, während die Wurzeln der Allgemeinen Zeitung 171 Jahre zurückreichen. Sie ist damit eine der ältesten Tageszeitungen im deutschsprachigen Raum.
Merkwürdigkeiten des Alltags
Am 4. Januar 1776 erschien die erste Ausgabe der Zeitung „Reichsstadt Wormserisch privilegiertes Intelligenzblatt“. Es war die Geburtsstunde der heutigen „WZ“. Die ersten Zeitungen beschränkten sich auf die wesentlichsten Nachrichten aus den großen Hauptstädten und die „Merkwürdigkeiten“ des Alltags. Sehr kritisch ging es damals noch nicht zu. Das Wörtchen „privilegiert“ im Titel bedeutete ja nichts anderes, als dass die Herausgabe von der Obrigkeit gestattet worden war. Der Rat der Stadt hatte die Herausgabe nur unter der Prämisse erlaubt, dass „nichts hiesiger Stadt Nachteiliges oder Unanständiges“ im Blatt stehen durfte.
Privilegien und die Lesegesellschaft
Das bekamen die Verleger auch immer mal wieder zu spüren. Die erste war eine Frau, Maria Elisabeth Kranzbühler, und schon sie musste sich mit dem Rat der Stadt anlegen, was die mutige Unternehmerin auch tat. Es ging darum, dass der Rat einen plötzlich auftauchenden Konkurrenten bevorzugen wollte. Doch Maria Elisabeth Kranzbühler scheute sich auch nicht, sich ihre Privilegien vom Kaiser höchstpersönlich bestätigen zu lassen, was dieser auch tat.
Mit Pferd und Wagen gelangte die Wormser Zeitung in den 1920er Jahren an den Bahnhof. Das Verlagshaus Kranzbühler Gebr. Cnyrim druckte die WZ bis 1943. Archivfoto: Stadtarchiv Worms
So sah vor 245 Jahren das Titellayout des „Reichsstadt Wormserisch privilegiertes Intelligenzblatt“ aus. Foto: Stadtarchiv Worms
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Es muss überhaupt ein schwieriges Geschäft gewesen sein. Die Stadt Worms hatte nach der vollständigen Zerstörung im pfälzischen Erbfolgekrieg gerade noch 5000 Einwohner, vom Stolz und der Größe der mittelalterlichen Reichsstadt war wenig geblieben. Lesen und schreiben zu können, war keine Selbstverständlichkeit, es gab keine Schulpflicht, das Bildungsbürgertum war keinesfalls prägend. Erst einige Jahre später entstand eine „Lesegesellschaft“, aus der die Musik- und Casino-Gesellschaft hervorging.
Zeitung zweimal in der Woche
1786 erschien die Zeitung unter dem Titel „Wormserisches Zeitungs- und Intelligenz-Manual“, ein Jahresabo kostete einen Gulden und 30 Kreutzer. Zweimal in der Woche erschien das Blatt, immer mittwochs und samstags. Kurz vor der Französischen Revolution bekam die Zeitung eine größere Bedeutung, die Berichterstattung wurde intensiver, es gab eine kurze Ära der Pressefreiheit. 1792 erschien die Zeitung erstmals ohne den Reichsadler im Kopf, dafür standen dort dann die Worte „Freiheit“ und „Gleichheit“. Die wirklich erste unzensierte Wormser Zeitung erschien am 9. März 1848, in den Zeiten der Märzrevolution also. Das Hambacher Fest, die Wiege der Demokratie und der Pressefreiheit, lag da schon 16 Jahre zurück.
Aktuelle Ausgaben zweimal am Tag
Tatsächlich entwickelte sich erst weitere 20 Jahre später eine richtige Presselandschaft. In der Stadt Worms kam eine zweite Tageszeitung auf, die „Wormser Volkszeitung“, doch die „WZ“ blieb die Nummer eins. Um die Jahrhundertwende erschien sie zweimal am Tag, es gab eine Morgen- und eine Abendausgabe. Das gab es dann erst wieder in den Zeiten der Weimarer Republik – und wenn man so will, heute wieder mit der „E-Ausgabe“ der WZ ab 20 Uhr abends. 1910 konnte der Verlag eine neue, moderne Rotationsdruckmaschine anschaffen. Sie schaffte pro Stunde den Druck von 26.000 vierseitigen Blättern.
Einstellung und Neuanfang der Zeitung
Mit der Naziherrschaft kam dann das Aus für die Pressefreiheit. Die WZ wurde unter Zwang mit der Volkszeitung zusammengeführt. Die Wormser Zeitung trug damit den Untertitel „Vereinigt mit der Wormser Volkszeitung“. Für ihre Leser war die WZ gleichwohl interessant. Nach den anfänglichen Jubelmeldungen der Wehrmacht waren es dann vor allem die Todesanzeigen, die Nachrichtenwert hatten. Mitunter füllten sie ganze Zeitungsseiten. 1943 musste die Wormser Zeitung wie so viele im Land ihr Erscheinen einstellen.
Im Februar 1945, als die Stadt Worms im Bombenhagel erst der britischen Royal Air Force und dann der amerikanischen Air Force unterging, wurde auch das Gebäude von Verlag und Druckerei an der Ecke Wollstraße/Valckenberg, also mitten im Herzen der Stadt, vollständig zerstört. Es war zwar das Ende der Zeitungsverleger-Tradition in Worms. Nicht aber das Ende der „WZ“. Ihre Geschichte setzt sich fort, als Tochter der „Allgemeinen Zeitung Mainz“. Das zeigt sich zunächst auch im Titel, denn der lautet „Allgemeine Zeitung – Ausgabe Worms – Neuer Mainzer Anzeiger“. Etwas später kommt dann noch der Zusatz „Wormser Anzeiger“ in den Titel.
245 Jahre dokumentierte Geschichte
Seit 1956 erscheint die WZ endlich wieder unter ihrem eigenen Titel als „Wormser Zeitung“, weiterhin unter dem Dach erst der Mainzer Verlagsanstalt und heute der VRM. Was geblieben ist, ist der Stolz auf die große, langjährige Tradition. Die füllt ganze Archive. Die im Raschihaus Worms, dem Sitz des Stadtarchivs, aufbewahrten Zeitungsbände ergeben in den Regalen sage und schreibe 77 laufende Meter. Allein aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sind hier rund 160 000 Foto-Negative aufbewahrt, Zeitdokumente von unschätzbarem Wert.