Montag,
12.03.2018 - 19:58
5 min. inkl. Video
Die Ente in uns allen: Disney-Ausstellung in Mainz präsentiert die berühmtesten Comic-Zeichner

Von Michael Jacobs
Lokalredakteur Mainz
MAINZ - Man zeigt Ohr. Und viel Pürzel. Und sprechblasenbasierte Action-O-Töne vom Kaliber „Bonk, Whaa, Yeah, Ring, Ploof“. Nach dem Abzug der „Vorzeiten“-Herrscher gewährt das Landesmuseum Mainz nun Einblicke in das wirkungsmächstigste Unterhaltungsimperium der Neuzeit – Walt Disneys Weltreich mit den über das Erdenrund gerühmten Bewohnern seiner Kapitale Entenhausen.
Seit 90 Jahren bevölkern Micky Maus, Donald Duck und sein ausgedehnter Enterich-Clan das kulturelle Gedächtnis der modernen Menschheit. Weniger bekannt sind die hinter dem Disney-Label lange verborgenen Charakterformer, Meisterzeichner und Geschichtenentwickler der alterslosen Comic-Stars, denen das Haus gemeinsam mit Mainzplus Citymarketing eine Bühne bereitet.
Kurator Eduard Sebald hat 300 Exponate, viele davon aus Privatsammlungen, zu einem Entdecker- und Schmunzel-Parcours durch die Entwicklungsgeschichte des anthropomorphen Enten- und Nager-Kosmos gruppiert, an dessen Anfang natürlich die Maus steht. Mit dem ersten Zeichentrick-Tonfilm „Steamboat Willy“ avancierte Micky 1928 zum Leinwandhelden. Eine Leuchttafel mit Bewegungsskizzen und ein Storyboard, von dem die zu einer Geschichte arrangierten Einzelzeichnungen abgefilmt wurden, verdeutlicht den Ursprung der Comic-Kunst aus dem Bewegtbild.

Die Disney-Ausstellung im Landesmuseum Mainz hat am 14. März begonnen. Foto: Sascha Kopp
Micky war nicht immer der biedere Gutmäuserich
Für Disney waren die in vierteiligen schwarzweißen „Dailystrips“ und auf farbigen Sonntagsseiten der Zeitungen veröffentlichten Gag-Folgen in erster Linie Nebenprodukte seiner Filme. Die effektive Verwertungskette von Comic und Kino verdeutlicht der Micky-Maus-Streifen „Das tapfere Schneiderlein“ (1938), den Zeichner Floyd Gottfredson zusätzlich werbewirksam auf Papier brachte. Gottfredson gehört zur Trias der Disney-Großmeister, der sich mit ganzer Hingabe der Maus-Entfaltung widmete. In seinen Sturm-und-Drang-Zeiten war Micky keineswegs der biedere Gutmäuserich, sondern ein rauflustiger Rabauke, der sich schon mal eine Keilerei mit Freundin Minnie an der Tischtennisplatte gönnt.
Die Gottfredson-Abteilung wartet auch mit dem ersten Auftritt von Donald Duck in einer Micky Maus-Geschichte auf. Der von Al Taliaferro geschaffene cholerische Pechvogel wettert Anfang 1930 noch mit Langschnabel. 1937 fliegen ihm durch die in Entenhausen gängige Fortpflanzugspraxis der Veronkelung die Neffen Tick, Trick und Track zu. Anhand von Taliaferros Donald-Strips illustriert die Schau die Entstehungsphasen eines Comics von der Story über den Grobentwurf (Scribble), bis zur Bleistift- oder Tuschezeichnung, die später eingefärbt wurde.
Schon die frühen Skizzen, Studien, vor Komik sprühenden Bilderfolgen demonstrieren höchste Comic-Kunst. Unübertroffen sind die ingeniösen Werke Carl Barks, der der Welt nicht nur Entenhausen schenkte, sondern mit dem Raffschnabel Dagobert (Scrooge) Duck dem Erpel-Kapitalismus ein goldenes Denkmal setzte. Erst Barks hat mit seinen Storys aus dem notorischen Loser Donald Duck die Ente in uns allen herausgekitzelt. Wie psychologisch akkurat er dabei vorging, zeigen Model Sheets, gezeichnete Charakterstudien, die den „Standard-Duck“ in diverse mimische Gefühlsphasen versetzen. Selbst die Sitzrichtung von Dagoberts Zylinder spiegelt die jeweilige Stimmungslage des Fantastillardärs wider. Den Barks-Schrein komplettieren Tuschezeichnungen zweier 1966 entstandener Onkel-Dagobert-Geschichten aus den eigenen Beständen.
Ausstellung
Vom 14. März bis 29. Juli im Landesmuseum Mainz,
Öffnungszeiten Mi-So 10-17 Uhr, Di 10-20 Uhr.
Umfangreiches Rahmenprogramm, unter anderem mit Vorträgen führender Donaldisten.
Öffnungszeiten Mi-So 10-17 Uhr, Di 10-20 Uhr.
Umfangreiches Rahmenprogramm, unter anderem mit Vorträgen führender Donaldisten.
Mainzplus erwartet 50.000 Besucher
Mit den Arbeiten Don Rosas beginnt die Riege der zeitgenössischen Duck-Großmeister. Rosa gilt als weltweit führender Dagobert-Exeget, der in einer mehrbändigen Biografie das Leben des als Greis geborenen Taler-Giganten bis in seine frühe Jugend rückwärts abrollen lässt. Die Schau geizt denn auch nicht mit Momentaufnahmen der abenteuerlichen Scrooge-Vita, mündend in ein Erinnerungstableau mit Dagobert samt Souvenirkoffer, selig sinnend auf den Pegelhöhen seines Geldspeichers.
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Ein eigener Raum präsentiert mit Jan Gulbransson und Ulrich Schröder die Stars unter den deutschen Disney-Zeichnern. Schröder führt mit Bark’schem Schwung die in den Fünfziger Jahren verhaftete Figurenwelt in die Gegenwart und sprengt mit großflächigen Donald-Duck-Porträts und Entenhausen-Briefmarken das Comic-Genre.
Gulbransson schickt die Ducks auf zeitgemäße Kapriolen-Tour bis nach München. Einige Bilder der beiden Künstler werden in Mainz erstmals gezeigt. Angesichts der früh entwickelten Merchandising-Marke Disney, repräsentiert unter anderem durch Micky-Maus-Prozellan und Micky-Bohnerwachs, setzt die Ausstellung wohltuend wenig auf Kommerz. Fast verloren wirkt der Plüschfiguren-Stand im Entree. Bis zu 50.000 Besucher, insbesondere Familien und Kinder, erwartet Mainzplus-Chef August Moderer. Trotz Texttafeln in leichter Sprache dürften sich den kleinen Disney-Fans einige der relativ kleinteiligen, in Englisch gehaltenen Comicstrips nicht ohne elterliche Erklärhilfe erschließen. Flankierend bietet das Haus ein museumspädagogisches Begleitprogramm. Ente gut, alles gut? Nicht ganz: Einen Katalog zu der publikumsträchtigen Ausstellung musste sich das Landesmuseum aus Geldmangel verkneifen.
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