BINGEN/MAINZ - Mit einem Freispruch endete jetzt der Raubprozess vor dem Mainzer Landgericht gegen einen 29 Jahre alten Mann aus Bingen. „Das passt alles hinten und vorne nicht“, fasste der Vorsitzende Richter der 1. Strafkammer, Reinhold Koch, die Beweislage lapidar zusammen.
Das Gericht folgte damit den Anträgen von Staatsanwältin und Verteidiger. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, der arbeitslose Edelmetallberater konnte als freier Mann nach Hause gehen. Er hatte von Anfang an gesagt, dass er mit dem Überfall auf ein Binger Hotel im Februar 2016 nichts zu tun habe.
Tatsächlich gab es außer einer gewissen Ähnlichkeit des beschriebenen Täters mit dem 29-Jährigen keinerlei Hinweise darauf, dass er der Räuber gewesen sein könnte, der damals vom Nachtportier unter Vorhalt eines großen Küchenmessers die Tresorschlüssel verlangt hatte, gezielt zwei Fächer öffnete und daraus 2731 Euro entnahm. Die Juristen im Prozess waren schnell zu der Erkenntnis gelangt, der Täter muss ganz spezielle Kenntnis vom Tresor, den Schlüsseln und dem Inhalt verschiedener Fächer gehabt haben. „Das könnten mehr als 35 Mitarbeiter aus dem Hotel gewesen sein“, sagte die Anklägerin.
Der 29-Jährige aber wohnte damals lediglich als Nachbar etwa 30 Meter vom Eingang zur Hotelrezeption entfernt, hatte von seiner Wohnung aus keine Einsicht in den Tresorbereich des Hotels und er hielt sich lediglich als Gast ein paar Mal an der Hotelbar auf. Letztlich war es die Polizei gewesen, die aufgrund der Täterbeschreibung auf den Angeklagten als möglichen Räuber gekommen war. Er war zuvor schon mehrfach in Bingen aufgefallen, wenn er aufgrund von Drogenpsychosen vor dem Haus, in dem er wohnte, randalierte. Körperbau, der Bart, die Haarfarbe, da habe es Übereinstimmungen gegeben. Doch bei der Wohnungsdurchsuchung konnten nicht einmal vom Nachtportier beschriebene Kleidungsstücke und eine Tasche bei dem Angeklagten entdeckt werden. „Sowas trage ich gar nicht“, hatte dazu der 29-Jährige in einer Vernehmung gesagt.
Hatte der Nachtportier den mutmaßlichen Täter aus einer Reihe ihm vorgelegter Fotos lediglich mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit identifiziert, erkannte er den Angeklagten als Täter im Gerichtssaal überhaupt nicht wieder. „Den Mann habe ich noch nie gesehen“, musste der Zeuge feststellen.
Kurz vor mutmaßlicher Tat im psychotischen Wahn
Gegen die Täterschaft seines Mandanten sprach laut Verteidiger ebenfalls, dass Zeugen ihn etwa eine Stunde vor und nach der Tat erlebt hatten, als er – wohl wieder einmal im psychotischen Wahn – Gegenstände aus dem Fenster seiner Wohnung auf die Straße warf. „Und in der Zeit dazwischen soll er die vom Zeugen als äußerst präzise und gezielt abgewickelte Tat begangen haben? Das passt nicht“, so der Anwalt. Der Freigesprochene erhält jetzt eine Entschädigung für die erlittene U-Haft.