Rund 400 Menschen sind zur ersten Bürgerbeteiligung zur Umgestaltung der Mainzer Ludwigsstraße gekommen. Es wird hitzig debattiert, dabei geht es auch nicht immer sachlich zu.
Von Maike Hessedenz
Stellvertretende Redaktionsleiterin Mainz
Die Bürgerbeteiligung im Großen Saal des Kurfürstlichen Schlosses.
(Foto: hbz / Judith Wallerius)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
MAINZ - Die Lu erhitzt die Gemüter. Und das bei ohnehin schon vermutlich mehr als 40 Grad im Großen Saal des Kurfürstlichen Schlosses. Rund 400 Menschen sind zur ersten Bürgerbeteiligung zur Umgestaltung der Ludwigsstraße gekommen. Sie alle wollen mitreden, sich informieren, auch ihre Wünsche und ihren Unmut kundtun.
Vieles kommt zur Sprache, was seit Jahren Thema ist: Da ist die Kleinteiligkeit, die von einigen Bürgern vermisst wird, da ist die Forderung nach mehr Grün und freien Flächen, die unter anderem von Gerhard Heck von der Bürgerinitiative Ludwigsstraße vorgebracht wird. Da ist der Vorwurf, die Bürgerbeteiligung starte zu spät, der ebenfalls von der BI, diesmal von Hartwig Daniels, an die Stadt gerichtet wird. Aber es kommt auch die Forderung nach Urbanität, danach, wieder einen Zusammenhang zwischen Altstadt und Schillerplatz herzustellen. Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer und Vorsitzende des Vereins Citymanagement ist es, die diese Wünsche formuliert. Erlebnischarakter, Einzelhandel – das erhofft sie sich.
„Mehr Mut zu moderner Architektur“
Juwelier Martin Lepold, Chef der Werbegemeinschaft, wünscht sich „mehr Mut zu moderner Architektur“. Und Markus Müller, Intendant des Staatstheaters, möchte auf der Lu einen Ort finden, an dem die Kultur in verschiedenen Ausprägungen weiterlebt. Kultur und Handel, das verkörpere für ihn Lebendigkeit, sagt er. „Wir können das Wohnraum- und Klimaproblem nicht an dieser Stelle in der Mainzer Innenstadt lösen“, reagiert er auf einige Wortmeldungen, die mehr Grün und mehr Wohnraum für das Areal fordern.
Es sind viele Funktionäre und Innenstadt-Aktivisten, die sich im Schloss eingefunden haben; aber auch zahlreiche Bürger melden sich zu Wort. „Warum kann man das Nutzungskonzept nicht in die bestehende Struktur integrieren?“, fragt eine Teilnehmerin. Auch dass der Bischofsplatz durch die Hotelzufahrt statt ruhiger eher geschäftiger und enger werde, war eine Befürchtung. Ein weiterer Mainzer will die Bebauung wieder so, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg war, andere wollen eine Kita, sozial geförderte Wohnungen oder die Integration der Druckerwerkstatt des Gutenberg-Museums in die prominenten Lagen des neuen Komplexes.
Es geht nicht immer sachlich zu: Eine Besucherin wirft OB Michael Ebling demütigendes Verhalten vor, da immer von Kleinteiligkeit die Rede gewesen sei, die nun nicht umgesetzt werde.
Ebling bleibt ruhig – und entgegnet, dass vielmehr die jetzige Situation nicht hinnehmbar sei. Roman Haug greift Investor Dirk Gemünden an, meint, dieser habe kein ökologisches Konzept. Gemünden keift zurück: Er habe ein Konzept von Karstadt, das auch Amazon und Zalando einbinde. Unter anderem gehe es dabei auch darum, die Rücksendungen von Online-Käufen zu minimieren. „Das ist Ökologie“, so Dirk Gemünden. Zudem sei sein Unternehmen die „Boulevard Lu GmbH“, in der die J. Molitor Immobilien und die Sparkasse Rhein-Nahe sich zusammengeschlossen haben, „der erste Investor, der die Kirche, Karstadt und die Deutsche Bank zusammengebracht hat.“ Klar sei, das verdeutlicht sein Sohn Tim Gemünden, dass Karstadt einen langfristigen Mietvertrag habe. Der aktuelle Vertrag läuft bis 2026, Karstadt kann allerdings bis 2036 verlängern. „Alles, was wir machen, geht nur unter Mitwirkung von Karstadt“, so Tim Gemünden. Auch der Vertrag mit der Deutschen Bank sei gerade wieder verlängert worden. „Handel, Genuss, Aufenthaltsqualität, Kultur“ – das wolle ihr Unternehmen an der Lu umsetzen, betont Tina Badrot, Schwester von Tim Gemünden und ebenfalls Geschäftsführerin bei J. Molitor Immobilien.
Die öffentlichen Freiflächen blieben weitgehend erhalten, so die Investoren. Die vordere Front der Pavillons werde sogar zurückversetzt. Für die Versetzung von Gebäudekanten werde sein Unternehmen einige kleinere Flächen von der Stadt benötigen: Das sollen voraussichtlich – ohne das Ergebnis des Architektenwettbewerbs zu kennen – 280 Quadratmeter sein, die sein Unternehmen der Stadt abkaufe. Die restlichen Flächen auf der Lu, die sich jetzt zwischen den Pavillons befinden, werden im Besitz der Stadt bleiben, erklärt er im AZ-Gespräch.
Die Stadt legt sich ins Zeug, um für Verständnis und Transparenz zu sorgen. Nicht nur OB Michael Ebling, Baudezernentin Marianne Grosse und Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz stellen sich den Fragen des Plenums, Familie Gemünden steht Rede und Antwort, im Forstersaal des Schlosses ist ein Info-Markt aufgebaut, wo die Bürger mit Mitarbeitern von Stadt und J. Molitor Immobilien über verschiedene Themen ins Gespräch kommen und auf Zetteln ihre Wünsche und Anregungen zu Einzelhandel,_Stadtbild und weiteren Aspekten an die Pinnwände heften können.
Eines, das betont Marianne Grosse gleich zu Beginn des Abends, müsse aber klar sein:_Mit dem neuen Investor gebe es einen neuen Rahmenplan, auch das Nutzungskonzept sei ausgearbeitet. Nun gehe es in Wettbewerben um ein städtebauliches Konzept für den Bereich Gutenbergplatz bis Schillerstraße, um die Gestaltung der Fuststraße und des China-Pavillons und um die Fassadengestaltung des Karstadt-Komplexes. „Wir fangen hier nicht bei Null an, das sage ich ausdrücklich“, so Grosse. OB Ebling spricht sich klar für Einzelhandel an dieser Stelle der Stadt aus. „Die Ludwigsstraße ist in ihrer Tradition untrennbar mit Handel verbunden“, sagt er. „Handel gehört zur DNA einer Stadt.“
Alle Teilnehmer füllten schließlich einen zehnseitigen Fragebogen aus, in dem sie ihre Wünsche zu Handel, Stadtbild, Plätzen und mehr nennen sollten. Bei der nächsten_Bürgerbeteiligung, die voraussichtlich im August stattfinden soll, sollen die Ergebnisse präsentiert werden.