Bei der AZ-Telefonaktion zum Thema Corona haben Experten auf die Fragen unserer Leser geantwortet: von Immunität und Türklinken-Risiko bis Schwangerschaft und Enkelbesuch.
Von Torben Schröder
Positiv oder negativ? Im Labor werden Proben auf das Virus Sars-CoV-2 untersucht.
(Foto: jarun011 / stock.abobe)
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MAINZ - Die Telefonaktion zum Thema Corona war eine der meistgenutzten überhaupt. Dr. Dietmar Hoffmann, Leiter des Gesundheitsamts Mainz-Bingen, der Facharzt Dr. Christoph Lembens und Sanitätsrat Dr. Wolfgang Klee gaben Auskunft, linderten Sorgen, mahnten und äußerten Prognosen, wie die Krise weitergeht.
Ich befürchte, am Coronavirus erkrankt zu sein. Was soll ich tun?
Lembens, Hoffmann, Klee: Rufen Sie den Hausarzt an! Diese arbeiten streng nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts.
Muss ich Symptome haben, um erkrankt zu sein?
Lembens: Nein! Deswegen sollte man, wenn man Kontakt mit einem Infizierten oder jemandem, der aus einem Risikogebiet kommt, hatte, erhöhte Achtsamkeit walten lassen. Denn auch, wenn man keine oder nur geringe Symptome hat, kann man ansteckend sein. Man kann, so gesehen, ein gesunder Überträger sein.
Ich bin schwanger. Was droht, wenn ich erkranke, meinem Kind?
Hoffmann: Nach allem, was wir wissen, wird die Erkrankung bei einer Schwangerschaft nicht an das ungeborene Kind übertragen. Schwangere selbst sind keine besondere Risikogruppe, bei Kindern ist der Krankheitsverlauf in aller Regel sehr mild.
Wer zählt zur Risikogruppe?
Lembens: Menschen, die an Bluthochdruck oder chronischen Atemwegserkrankungen leiden, oder an Diabetes – wobei gut eingestellte Patienten hier erst ab etwa 65 Jahren erhöht gefährdet sind. Immunsupprimierte Menschen und Menschen ab 60, die unter mehreren Krankheiten leiden, zählen ebenfalls zur Risikogruppe. Im höheren Alter steigt das Risiko eines schweren Verlaufs deutlich an.
Darf ich meinen Enkel sehen?
Lembens: Nach einer Desinfektion der Hände und mit entsprechendem Abstand, ohne engen Kontakt, wäre es vertretbar, dass Enkel ihre Großeltern besuchen. Man sollte sich zur Begrüßung aber auf keinen Fall umarmen oder Küsschen geben.
Ich habe eine Immunschwäche und bekomme Einkäufe vor die Tür gestellt. Sind die Tüten gefährlich?
Hoffmann: Die Ansteckungsgefahr über Verpackungen kann man vernachlässigen. In erster Linie handelt es sich um Tröpfcheninfektionen, die im direkten Kontakt entstehen.
Sind Einkaufswagen und Türklinken gefährlich?
Hoffmann: Es empfiehlt sich, dort, wo viele Menschen in kürzerer Zeit angefasst haben, besonders auf die Handhygiene zu achten. Handschuhe oder den Ellenbogen zu nutzen, wäre nicht falsch. Und man sollte sich generell nicht mit ungewaschenen Händen ins Gesicht fassen.
Lembens, Klee: Man kann nicht eindeutig sagen, wie lange die Viren an der frischen Luft überleben. Vorsicht ist immer besser.
Ist die Durchseuchung, bei der sich die Mehrheit der Bürger ansteckt, vermeidbar?
Lembens: Auf gar keinen Fall.
Hoffmann: Es spricht nichts dafür, dass weniger als zwei Drittel der Bevölkerung erkranken. So war es, bevor es eine Impfung gab, auch früher schon bei den Windpocken. Die Frage ist nur, binnen welchem Zeitraum.
Ist man, wenn man krank war, immun?
Lembens: Die ehrliche Antwort: Wir wissen es nicht.
Hoffmann: Man vermutet, für eine gewisse Zeit, aber sicher ist es nicht.
Warum haben wir in Deutschland bislang relativ so wenige Corona-Tote – heißt das, dass unser Gesundheitssystem viel besser ist?
Klee: Es heißt, dass unsere Mitmenschen sich in der Regel an bestimmte Vorsichtsmaßnahmen halten.
Hoffmann: Wir haben noch immer in unseren einzelnen Krankenhäusern vergleichsweise wenige Fälle, die wir hervorragend versorgen können. Steigt die Zahl der Erkrankten, könnte das aber bald anders aussehen. Technisch und personell ist unser Gesundheitssystem besser ausgestattet als etwa das in Oberitalien. Außerdem hatten wir mehr Vorbereitungszeit.
Lembens: Wir haben außerdem eine exzellente Frühdiagnose. In Italien sind die Menschen oft erst gar nicht zum Test gegangen, sondern gehen schwer erkrankt ins Krankenhaus. Dabei kann man viel tun, um den Verlauf abzumildern und zu verhindern, dass der Patient in die Komplikationsphase kommt – zum Beispiel Medikamente geben, damit die Lunge weniger stark angegriffen wird.
Welche Maßnahmen zur Eindämmung der Infektion sind denn nützlich?
Klee: Die, die wir schon die ganze Zeit betrieben haben – Hände waschen, Kontakt zu Infektionsgefährdeten und Menschen aus der Risikogruppe meiden. Außerdem sollten größere Menschenansammlungen vermieden werden. Maßnahmen, die Menschen in ihren Grundrechte einschränken, gehen meiner Meinung nach zu weit, denn der Abbruch sozialer, menschlicher Kontakte kann zu Panik und psychischen Erkrankungen führen, die gefährlich sind. Und das betrifft nur die medizinischen und nicht die wirtschaftlichen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Betriebs-Pleiten. Existenzbedrohung kann auch krank machen.
Hoffmann: Alles, was bis Freitag in Rheinland-Pfalz gemacht worden ist, war aus meiner Sicht maßvoll und richtig. Ich bin, auf Basis der jetzigen Situation, gegen eine komplette Ausgangssperre. Es ist nicht zumutbar, dass eine Familie mit Kleinkindern ohne Balkon und frischer Luft über Wochen daheim bleiben muss. Die Ansteckungsgefahr an der frischen Luft ist zu vernachlässigen, wenn ich mich nicht in Menschentrauben zusammenfinde.
Lembens: Ich sehe es genauso. Die bisherigen Maßnahmen sind für zwei, vielleicht auch vier Wochen sinnvoll. Die komplette Ausgangssperre wäre total überzogen, bis zum Katastrophenfall. Denn mit den bisher getroffenen Maßnahmen können wir verhindern, dass sich die Krankheit zu schnell ausbreitet.
Wann wird man wieder mit größeren Veranstaltungen rechnen können?
Lembens: Frühestens in vier Wochen. Es ist illusionär zu glauben, dass wir bei einer Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen morgen schon Ergebnisse der Maßnahmen sehen, die wir heute treffen. Aussagen wie „Dieses Jahr kein Fußball mehr“ halte ich aber für Unfug. Ich ganz persönlich rechne damit, dass wir in acht Wochen über den Gipfel sind.
Hoffmann: Ich in weniger optimistisch. Ich bin fest überzeugt, dass die aktuelle Frist des Veranstaltungsverbots über den 19. April hinaus verlängert wird. Eine Prognose ist derzeit nicht möglich.
Klee: Ich gehe nicht davon aus, dass Mainz 05 in dieser Saison noch ein Spiel machen wird, zumindest nicht vor Zuschauern.