In der Diskussion um den Arab Nil-Rhein-Verein melden sich Stimmen zu Wort, die für Verständnis werben.
Von Paul Lassay
Lokalredakteur Mainz
Der Eingang zur muslimischen Al Nur-Kindertagesstätte in Mainz.
(Archivfoto: Sascha Kopp)
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MAINZ - Es brach sehr plötzlich über die Verantwortlichen herein. Ein Gutachten, das weitgehend bekannte Vorwürfe wieder hervorholte, hat dem Arab Nil-Rhein Verein mit seinem Vorsitzenden Samy El Hagrasy und der Al Nur Kita, dessen Träger der Verein ist, in den vergangenen Wochen eine unangenehme Aufmerksamkeit beschert. Zu den alten Vorwürfen kamen neue, das Bildungsministerium ordnete eine Überprüfung der Betriebserlaubnis der Kita durch das Jugendamt an. Doch nun melden sich inmitten der Diskussion um den Verein auch solche Stimmen zu Wort, die vor einer unfairen Behandlung des Vereins warnen und die Bedeutung des Vorsitzenden und des Vereins in verschiedenen Zusammenhängen hervorheben.
Die Stimmen gehören Menschen wie Jürgen Janik. Der Leiter der Katholischen Klinikseelsorge ist seit neun Jahren in der Mainzer Unimedizin aktiv. Zusammen mit zehn Kollegen kümmert er sich um Patienten, die seelische Betreuung benötigen. Jede Woche sind sie auf den Stationen unterwegs, stehen Menschen in schwierigen Situationen bei. Ab und zu würden sie dabei auch zu Muslimen gerufen, die geistlichen Beistand bräuchten, aber keine Verbindung zu hiesigen Moscheen hätten, berichtet Janik. Eine der Nummern, die für solche Fälle auf der Kontaktliste stehe, sei die von Samy El Hagrasy.
Überprüfung
Auf das Ergebnis der Überprüfung durch das zuständige Landesamt warten Verein und Öffentlichkeit bis heute. Aufgrund der neueren Erkenntnisse dauere es noch, bis die Überprüfung abgeschlossen sei.
Als Vorsitzender des Arbeitskreises Mainzer Muslime (AKMM) sei er schon seit langer Zeit ein geeigneter Ansprechpartner für die Klinikseelsorger. Über ihn sei es nämlich möglich, passende Religionsvertreter zu finden. Deren Besuche am Krankenbett koordiniere der AKMM-Vorsitzende dann in solchen Fällen. Manchmal sei es aber auch El Hagrasy selbst, der im Krankenhaus vorbeikomme, sich um die Patienten kümmere, erzählt Janik. Das sei auch für das Klinikpersonal oftmals sehr hilfreich. „Ich habe immer wieder vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten können“, betont der Priester.
Erreichbarkeit und Verlässlichkeit
Was El Hagrasys ehrenamtliches Engagement besonders wertvoll mache, sei die Erreichbarkeit und Verlässlichkeit. „Die Kontaktversuche mit anderen muslimischen Gemeinden verlaufen oft im Sande“, beklagt er. „Wir bräuchten da auch mehr Offenheit von den Gemeinden.“ Neben der wichtigen Arbeit El Hagrasys kenne er aber auch dessen manchmal „nicht einfache Positionen“ in verschiedenen Fragen.
An diesem Punkt setzt die Kritik von Prof. Franz Hamburger an, der das Grundproblem an anderer Stelle verortet. Der pensionierte Professor für Erziehungswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität war bis 2015 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Al Nur Kita.
Grundproblem: „Unser Verhältnis zum Islam“
Das Grundproblem in der Debatte sei „unser Verhältnis zum Islam“, ist der Wissenschaftler überzeugt, der sich in seiner Laufbahn unter anderem mit der Versachlichung der Auseinandersetzung mit dem Islam beschäftigt hat. Gehe man alle Einrichtungen mit der gleichen unvoreingenommenen Haltung an, werde man überall Aspekte finden, die man hinterfragen könne. Angegriffen werde aber nur eine muslimische Kita. In seiner Zeit im Beirat habe er die Kita im Betrieb besucht. Diejenigen, die jetzt Vorwürfe erheben, würden die Kita aber nicht kennen, wüssten gar nicht, wie unabhängig sie vom Verein sei.
Auch Ilka Friedrich, Pfarrerin für Ökumene und interreligiösen Dialog im Evangelischen Dekanat Mainz, spricht sich gegen eine Vorverurteilung des Vereins aus. „Entscheidend für mich ist die Stellungnahme des Vorstands gegen Gewalt und Homophobie“, sagte Friedrich am Montag bei einer Veranstaltung in Weisenau. Die Vorwürfe seien gleichwohl aktuell „nicht entkräftet“. Von der „staatlichen Seite“ erwartet sie, dass Fakten benannt werden.
Prof. Hamburger sieht in der Diskussion um den Trägerverein eine „Kampagne“, in der mit sehr diffusen Verdächtigungen gearbeitet werde. „Etwas bleibt immer hängen“, befürchtet er.