Anastasiia aus der Ukraine wurde bei einem Unfall schwer verletzt – in Mainz konnte ihr geholfen werden
Von Irina Steinhauer
Freuen sich gemeinsam über die guten Fortschritte von Patientin Anastasiia (4.v.l.): Hansjürgen Doss (v.l.), Bruder Alexej, Oliver Münsterer, Veronika Engel und Mutter Viktoria Kapeljuschna. Foto: hbz/Kristina Schäfer
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MAINZ - Professor Oliver Münsterer nickt zufrieden. „Klasse, das gefällt mir gut“, sagt er mit Blick auf die operierte Stelle an Anastasiias Steißbein. Noch immer ist der Rücken des jungen Mädchens stark deformiert, wird es wohl auch ihr Leben lang bleiben. „Aber“, sagt der Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie an der Mainzer Unimedizin, „sie hat eine gute Chance, ein relativ normales Leben zu führen.“
Mehrere Organe waren zerstört, Knochen gebrochen
Doch bis hierhin war es für Anastasiia ein langer Weg. Als das Mädchen aus der Ukraine vor vier Jahren zum ersten Mal nach Mainz kam, war sie nach Münsterers Worten in einem desolaten Zustand. Ein Laster hatte das damals neunjährige Kind überrollt. Mehrere Organe waren zerstört, Knochen gebrochen. „Das Schlimmste waren die Weichteile“, erläutert Münsterer. „Die Haut und Muskulatur am Rücken ist einfach weggefräst worden.“
Die ersten Monate lag Anastasiia in einem Krankenhaus in Kiew. „Sie wurde stabilisiert und so gut es geht behandelt.“ Doch in ihrem Zustand, sagt Münsterer, wäre es dort nicht mehr lange gut gegangen. „Es ging um Leben und Tod“, erinnert sich die stellvertretende Direktorin Dr. Veronika Engel.
Dass Anastasiia an der Mainzer Unimedizin weiterbehandelt wurde, verdankt sie Professor Hansjürgen Doss. Als Honorarkonsul der Ukraine war er damals in Kiew, als ihn der Klinikchef an das Bett der jungen Patientin führte. „Wenn du sie nicht mitnimmst, stirbt sie, hat er zu mir gesagt.“ Er sammelte Spenden für die kostspielige Behandlung – auch AZ-Leser beteiligten sich an der Aktion – und Anastasiia kam zur Weiterbehandlung nach Mainz.
Auf die offenen Stellen am Rücken transplantierten die Ärzte Haut von Anastasiias Beinen, erzählt Münsterer. Doch die junge Patientin hatte der Lebensmut verlassen. Sie lag viel, aß wenig. „Da haben wir gemerkt, wie wichtig die psychosoziale Komponente ist. Also haben wir angefangen uns gemeinsam Ziele zu setzen. Wieder stehen, laufen, einfach am Alltag teilnehmen.“ Über eine Sonde wurde dem Mädchen Nahrung mit viel Kalorien zugeführt. Und auf einmal kam die Wende: Anastasiia fing an zu kämpfen und es ging voran.
Einige Jahre und eine Vielzahl an Operationen sind seitdem vergangen. Mittlerweile kann Anastasiia wieder laufen, geht zur Schule und möchte sogar wieder am Sportunterricht teilnehmen. Ihre Körperfunktionen sind fast vollständig wiederhergestellt.
Weil sich allerdings am Steißbein eine offene Stelle gebildet hatte, musste Anastasiia vor einigen Wochen erneut operiert werden. Die Nachuntersuchung ergibt: Es ist gut verheilt. „Chirurgisch ist jetzt nicht mehr viel zu tun“, sagt der Direktor der Kinderchirurgie. Trotzdem brauche Anastasiia weitere Kontrollen. Münsterer zufolge ist das aber auch in der Ukraine möglich. „Wird sie mit ihrem deformierten Rücken zurechtkommen?“, fragt sich der ehemalige Bundestagsabgeordnete Doss. Vor allem, wenn nach all den Jahren wieder so etwas wie Normalität eintrete. „Vielleicht könnten in einem zweiten Schritt noch Korrekturen vorgenommen werden.“ Ob das sinnvoll sei, hängt Engel zufolge davon ab, ob sich die Lebensqualität des Mädchens dadurch wirklich verbessere. „Sichtbar bleiben wird es immer. Wir müssen abwägen: Lohnt sich eine Operation oder nicht?“
Wegen eines Beckenschiefstands hat Anastasiia in der vergangenen Woche eine Schiene bekommen. Die muss sich der Orthopäde noch einmal ansehen. Danach aber kann das Mädchen gemeinsam mit ihrer Familie wieder nach Hause.