50 Jahre nach seinem Tod: Martin Luther King hat Spuren im Mainzer Stadtbild hinterlassen
Die Ermordung von Martin Luther King Jr. vor genau 50 Jahren löste weltweit Entsetzen aus. Auch in Mainz: Der Freiheitskämpfer hinterließ im Mainzer Stadtbild Spuren. Wir werfen einen Blick zurück.
Von Armin Thomas
Martin Luther King. Foto: dpa
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MAINZ - Vor 50 Jahren, am 4. April 1968, trat der Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Dr. Martin Luther King kurz vor Sonnenuntergang auf den Balkon des Zimmers 306 im ersten Stock des Lorraine Motels in Memphis, Tennessee. Er sah den Musiker Ben Branch unten im Hof und rief ihm seinen Musikwunsch für seine geplante Rede am Abend zu: „Ben, I want you to play ,Precious Lord‘ for me. Play it real pretty.” Der Saxofonist antwortete: „You know, I will.” Sekunden später, um 18.01 Uhr, fiel der Schuss…
Die Ermordung von Martin Luther King Jr. löste weltweit Entsetzen aus. Auch in Mainz. Nur wenige Tage später schlug Oberbürgermeister Jockel Fuchs (SPD) dem Stadtrat vor, eine Straße in der Landeshauptstadt nach King zu benennen. „Die Stadt will damit einen Mann ehren, der für Recht, Gerechtigkeit und Gewaltlosigkeit eingetreten ist“, begründete Fuchs seinen Vorschlag. Das berichtete die AZ am 11. April 1968. Zwei Wochen später stimmte der Stadtrat dem Vorschlag des städtischen Kultur- und Schulausschusses zu, den an die damalige „Mainz University Housing Area“ der US-Armee angrenzenden Bruchweg in Dr.-Martin-Luther-King-Weg umzubenennen. Die Entscheidung erfolgte laut AZ vom 27. April „ohne Diskussion“.
Klares Bekenntnis gegen Rassismus
Der heute 93-jährige Heinz Laubach, damals Vorsitzender der CDU-Stadtratsfraktion, bestätigt dies: „Es war Konsens bei den drei im Stadtrat vertretenen Parteien SPD, CDU und FDP, dass wir – bei all den Konflikten, die es mit den in Mainz stationierten amerikanischen Soldaten gab – ein positives Signal setzen wollten. Dies haben wir verbunden mit einem klaren Bekenntnis gegen Rassismus. Da es zu dem Beschluss keine Meinungsverschiedenheiten gab, ist die Umbenennung völlig geräuschlos über die Bühne gegangen.“
Heinz-Georg Diehl (82), vor 50 Jahren ebenfalls Mitglied der CDU-Fraktion, erinnert sich an die allgemeine Stimmungslage in der damaligen Bundesrepublik: „Die amerikanische Freiheitsbewegung hatte hierzulande große Sympathien erfahren. Daher waren die Menschen erschüttert, als sie von der Ermordung von Dr. Martin Luther King erfuhren.“ Das zeige ja auch die spontane Reaktion des Stadtrats, betont Diehl: „So schnell ändert eine Stadt normalerweise keinen Straßennamen für einen ausländischen Märtyrer.“
Leser kritisiert Oberbürgermeister
Kritik gab es aber auch, wie ein Blick in das Archiv der AZ belegt. In der Ausgabe vom 1. Mai 1968 fragt der Autor eines Leserbriefs: „Sehr geehrte Herren! – Gibt es in Mainz eine Straße des 17. Juni? Gibt es in Mainz eine Straße, die an die Teilung unseres Vaterlandes erinnert?“ Martin Luther King sollte den Amerikanern ein Vorbild sein, „ihre unbewältigte Gegenwart zu meistern“, aber nicht den Mainzern, argumentierte er. „Hier in Deutschland gibt es kein Rassenproblem oder Hass gegen farbige Mitbürger.“ Abschließend schimpfte er: „Unserem Oberbürgermeister scheint aber nichts Besseres einzufallen, als eine Straße nach dem Negerführer Dr. Martin Luther King umzubenennen.“
Dies rief Bürgermeister Karl Delorme (SPD) auf den Plan. Auch er verfasste einen Leserbrief (AZ, 4. Mai 1968). Martin Luther King sei zwar Amerikaner, „aber in seinem humanitären und moralischen Anliegen hat er auch uns etwas zu sagen“, schrieb Delorme. „Denn überall da, wo Gewalt und Unfreiheit, Vorurteile und Hass triumphieren, braucht es Menschen, die sich leidenschaftlich dagegen auflehnen. Menschen, die wissen, dass die Schüsse an der Berliner Mauer genauso abscheulich sind wie die Schüsse in Memphis.“ In Mainz habe zudem eine Anzahl von Männern und Frauen, die der Gewalt und Unfreiheit zum Opfer fielen, durch die Benennung von Straßen und Schulen die verdiente Ehrung erfahren. Delorme nannte die Geschwister-Scholl-Straße, die Erzbergerstraße und die Ludwig-Schwamb-Schule.
Und wenn der Autor des Leserbriefs frage, ob es in Mainz eine Straße gebe, die an die Teilung unseres Vaterlandes erinnere, dann müsse man wohl die Gegenfrage stellen, ob er nicht wisse, dass die Stadt Mainz am schönsten Teil ihres Rheinufers ein „Mahnmal der deutschen Einheit“ errichtet habe. Er jedenfalls, schrieb Karl Delorme, meine, „dass wir mit dem Amerikaner Dr. Martin Luther King auch unseren deutschen Freiheitskämpfern ein Denkmal setzen“. „Oder“, fragte Delorme am Ende, „sollte Herrn B. (den Autor des Leserbriefs, Anm. der Redaktion) die Hautfarbe doch stören?“
Sieben Jahre später benennt US-Army Wohnsiedlung um
Sieben Jahre später folgte die US-Armee dem Beispiel der Stadt Mainz und nannte die Wohnsiedlung in „Dr. Martin Luther King Village“ um. Bei einer Feierstunde am 25. Juli 1975 wurde ein Gedenkstein enthüllt. Die Ära der hier angesiedelten US-Streitkräfte endete im September 1995 mit der Freigabe der Siedlung. Ab November 1995 entstand hier in den folgenden Jahren unter Federführung der stadtnahen Wohnbau GmbH der Martin-Luther-King-Park, ein Wohngebiet für die Zivilbevölkerung. Der King-Park ist heute das Herzstück des Stadtteils Hartenberg-Münchfeld.
Neben der Straße und dem Wohngebiet tragen auch der Martin-Luther-King-Park-Verein, der sich für multikulturelles Zusammenleben engagiert, und die Grundschule den Namen des vor 50 Jahren ermordeten Freiheitskämpfers. Die Umbenennung der früheren Hartenberg-Schule erfolgte im Schuljahr 1998/99 mit dem Umzug vom etwa 500 Meter entfernten alten Standort in die neue Schule in der John-F.-Kennedy-Straße. Die Grundsätze des Wirkens von Dr. Martin Luther King sind in der Hausordnung der Schule verankert worden und seine Bedeutung wird besonders im Religions- und Ethikunterricht thematisiert. Das bunte Logo der Schule symbolisiert das Miteinander der Kulturen.
So bleibt Dr. Martin Luther King in Mainz dauerhaft im Gedächtnis als Vorbild im Kampf für eine gerechtere Welt: namentlich in einer Straße, einem Wohngebiet, einem Nachbarschaftsverein und einer Grundschule.