Vor 50 Jahren wurde der Vertrag vor der Eingemeindung auf Marienborner Betreiben hin noch mehrfach geändert. Und zunächst hatte niemand Lust, Ortsvorsteher zu werden.
MARIENBORN. „Ich habe kaum einen kennengelernt, der damals gesagt hatte, ich freue mich darauf, Mainzer zu werden“, so erinnert sich Hans-Karl Warken heute. Der Vorsitzende des Vereinsrings war 1968 ganz junges CDU-Mitglied im Marienborner Gemeinderat, als die Eingemeindung des kleinen Mainzer Vorortes in die benachbarte Landeshauptstadt zum ersten Mal Thema wurde. Bei einer Bürgerbefragung in Marienborn, bei der 976 Personen der insgesamt 1640 Bewohner stimmberechtigt waren, beteiligten sich 739. Bei 721 gültigen Stimmen waren 587 gegen die Eingemeindung und 134 dafür. „Wir konnten zeigen, was wir davon halten und haben unsere Meinung kundgetan, letztendlich hat das aber nichts genützt“, erzählt Warken weiter.
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Gegen die Landesentscheidung habe man nichts ausrichten können. Durch den „Auseinandersetzungsvertrag“ zwischen Marienborn und der Stadt Mainz wurde die Eingemeindung am 8. Juni 1969 vollzogen – wie im Stadtarchiv ersichtlich, wurde der Vertrag auf Marienborner Betreiben hin noch mehrfach geändert. Und doch sei er vom damaligen Marienborner Bürgermeister Anton Sebastian Krost „auf den letzten Drücker“ unterschrieben worden, wie Ortsvorsteher Dr. Claudius Moseler (ÖDP) herausgefunden hat. „Zunächst wollte niemand Ortsvorsteher werden“, beschreibt Warken die Verärgerung bei vielen Bürgern über die Eingemeindung.
Sozialstruktur änderte sich erheblich
Die Sozialstruktur des kleinen Ortes habe sich durch die Eingemeindung erheblich verändert. Dr. Moseler verweist auf die Festschrift „Marienborn und seine 1000jährige Geschichte“ aus dem Jahr 1995. Dort wird hervorgehoben, dass die neuen Stadtteile zwar gerne selbstständig geblieben wären, auf der anderen Seite auf wichtige Funktionen und Dienstleistungen der Stadt wie Nahverkehr, Kanalisation und Energieversorgung angewiesen waren. Umgekehrt war die Stadt dringend auf der Suche nach Wohnraum, weil in der Innenstadt noch immer die schweren Kriegsschäden sichtbar waren. Zudem benötigte sie nicht nur Bauland, sondern wollte auch neue Gewerbegebiete ausweisen.
Der Ortsvorsteher hat in alten Akten geblättert und festgestellt, dass angedacht war, für das zu diesem Zeitpunkt noch eigenständige Marienborn ein neues Rathaus zu bauen. „Stattdessen wurde die Ortsverwaltung nur umgebaut.“ Bis 1970 dauerte das. Damit die Eingemeindung für Marienborn lukrativer wurde, bekam der künftige Mainzer Stadtteil einige „Hochzeitsgeschenke“ in Aussicht gestellt. Eine neue Turnhalle mit Feuerwehrgerätehaus und Kulturhalle wurden gebaut, 1971 ein städtischer Kindergarten errichtet. Und 1973 kam auch noch der Erweiterungsbau der Grundschule dazu. Vor der Eingemeindung war die Feuerwehr noch im Rathaus ansässig gewesen, sie zog nun in den Gebäudekomplex von Sport- und Kulturhalle um. Zudem wurde Marienborn mit Linienbussen an die Mainzer Innenstadt angebunden – bis zu dieser Zeit konnte man nur den Zug und vereinzelte Bahnbusse nutzen.
„Wir hatten aber einen ganz dicken Wermutstropfen zu schlucken mit dem Baugebiet ‚Am Sonnigen Hang‘“, so Warken. Noch zu Marienborner Zeiten war es ausgewiesen worden, es sollte dort eine sechs- bis achtgeschossige Wohnbebauung entstehen. „Kaum gehörten wir zu Mainz, waren wir bei deutlich mehr Stockwerken“, so Warken. Im Stadtteil stießen die Pläne auf Widerstand. Bernd Noll, späterer Ortsvorsteher (CDU, 1994-2014) und 1975 mit seiner Familie in eines der beiden bereits fertiggestellten Hochhäuser gezogen, gründete mit sieben anderen jungen Familien eine Bürgerinitiative. „Wir wollten auf Missstände an der vorhandenen Bebauung aufmerksam machen“, erzählt Noll. „Es waren keine Feuerwehrumfahrten um die Häuser vorhanden, es wurden auch nicht ausreichend Stellplätze für die weiteren geplanten Häuser und keine Tiefgarage angelegt und auch ein Spielplatz wurde nur halbherzig angegangen.“ Auch die Veränderung des Ortsbildes war ein Argument, weshalb die geplante Siedlung bei vielen Marienbornern nicht auf Begeisterung stieß. Bei einer Bürgerversammlung entschied der damalige Oberbürgermeister Jockel Fuchs (SPD) schließlich, dass es bei zwei „echten“ Hochhäusern bleiben und die übrigen Hochhäuser „nur“ acht Stockwerke haben sollten. 390 Wohnungen wurden so nicht mehr realisiert. Im Nachhinein, findet Noll, habe die Bürgerinitiative ihre Ziele erreicht.
Zu den Zugeständnissen der Stadt gehört auch die Bezuschussung des Seniorennachmittags und dass das DRK weiterhin Platz innerhalb der Ortsverwaltung hat. „Einige vertragliche Vereinbarungen wurden allerdings nicht umgesetzt“, kritisiert Dr. Moseler, dazu gehören die Einrichtung einer Altentagesstätte und einer Volksbücherei, vor allem aber auch die Neugestaltung des Vorplatzes der Ortsverwaltung.“