Massengrab nicht mit Römerfunden zu vergleichen

In puncto Massengrab greifen öffentliche und private Interessen – vor allem der Schützengesellschaft – ineinander. Archivfoto: Kaster
© Archivfoto: Kaster

Kein Baustopp soll das Projekt der Mainzer Schützengesellschaft nach dem Fund eines Massengrabes aus der Zeit Napoleons zusätzlich verschärfen.

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HARTENBERG-MÜNCHFELD. „Das ist mein erstes Massengrab“ – der Satz von Denkmalpflegerin Kathrin Nessel rief während der Sitzung des Kulturausschusses bei vielen Teilnehmern ein kurzes Schmunzeln hervor, aber allen war bewusst, dass die Lage kompliziert ist: Der Fund des Massengrabs auf dem Gelände der Mainzer Schützengesellschaft in Hartenberg-Münchfeld schafft eine Situation, die ihresgleichen sucht.

Die Überreste mehrerer hundert Soldaten, die in Napoleons Armee an der Leipziger Völkerschlacht von 1813 beteiligt waren und dann, nach ihrer Rückkehr nach Mainz, einer Typhus-Epidemie zum Opfer fielen, waren Ende Oktober auf der Baustelle der geplanten Schießsportanlage entdeckt worden. Es passiert freilich selten, dass ein privater Bauherr auf ein Massengrab stößt.

Denkmalpflegerin längerem Baustopp abgeneigt

Auf der Sitzung machten Kulturdezernentin Marianne Grosse, Denkmalpflegerin Kathrin Nessel und Karin Trautwein, Ortsvorsteherin von Hartenberg-Münchfeld, deutlich, dass sie die Mainzer Schützengesellschaft nicht mit den Problemen alleine lassen wollen.

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Der Fund hatte zunächst vorgeschriebene Maßnahmen nach sich gezogen. Nach einer Untersuchung durch die Kriminalpolizei, die ausschloss, dass es sich bei den Toten um Opfer eines Verbrechens aus jüngerer Zeit handeln könnte, wurde das Gelände unter einstweiligen Schutz gestellt. Derzeit laufen Arbeiten der Landesarchäologie. Kathrin Nessel erklärte während der Sitzung, dass für ihre Behörde „keinerlei Ermessensspielraum“ bestanden habe. Man sei sich jedoch bewusst, dass „rasches Handeln“ nottue. Nessel hob hervor, dass sie nicht geneigt sei, einen sechsmonatigen Baustopp zu verfügen. Ein Fund aus dem frühen 19. Jahrhundert werde anders behandelt als Funde aus der Römerzeit.

Momentan wird erörtert, wie mit den sterblichen Überresten umzugehen ist. In dem Fall greifen private und öffentliche Interessen ineinander: Die Mainzer Schützengesellschaft hatte den Bau eng mit der Stadt abgestimmt, man war auf einem guten Wege. Ein Restaurant ist Teil des Gesamtkonzeptes, Karin Trautwein sieht auch diesen Aspekt als Bereicherung für ihren Stadtteil. Die geplante Schießanlage ist bestens ausgestattet und trägt gleichzeitig dem Lärmschutz Rechnung. Ob sie gebaut werden kann, ist fraglich – falls das Haus aus Gründen der Totenruhe nicht ausreichend unterkellert werden könne, verliere die geplante Anlage an Attraktivität, führte Karin Trautwein aus. Da auch die Polizei die Schießanlage nutzen wollte, sind durch diese Entwicklung öffentliche Interessen tangiert. Ortsvorsteherin Trautwein erklärte weiter, dass sich Eigentümer angrenzender Grundstücke bei ihr gemeldet hätten, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Weitere Leichenfunde im Umfeld seien nicht auszuschließen. Trautwein sagte, dass sie den archäologischen Aspekt „hochinteressant“ finde, die Lage der Mainzer Schützengesellschaft aber nicht aus dem Blickfeld verschwinden dürfe. Die Vereinigung ist inzwischen in ihrer Existenz bedroht, denn die finanzielle Planung für den Neubau ist durch den derzeitigen Stillstand aus den Fugen geraten. Offenbar arbeiten alle Beteiligten an einer Lösung – wie diese aussehen wird, ist allerdings noch unklar.