Montag,
15.04.2019 - 19:19
3 min
Bürgerbeteiligung in Aufsichtsräten? Parteien kritisieren Haase-Vorschlag
Von Dennis Rink und Paul Lassay

Eine Ansicht der Mainzer Stadtwerke - eine stadtnahe Gesellschaft. (Foto: Harald Kaster)
MAINZ - Mehr Bürgerbeteiligung in Aufsichtsräten von stadtnahen Gesellschaften – mit dieser Forderung hat der parteilose Oberbürgermeisterkandidat der CDU, Nino Haase, eine politische Diskussion in Gang gesetzt. „Es geht mir darum, die Expertise in diesen städtischen Kontrollgesellschaften generell zu stärken“, sagte Haase und konkretisierte seine Forderung noch einmal mit zwei Maßnahmen. Das könne eben über die Miteinbeziehung von Menschen aus der Bürgerschaft geschehen, die entsprechende Qualifikationen im Bilanzwesen und aufsichtsratrelevanten Tätigkeiten nachweisen. „Aber ganz zuvorderst muss dies über verpflichtende Schulungen aller Aufsichtsräte in Mainz geschehen“, sagte Haase.
Wenig begeistert zeigt sich die SPD von dem Vorstoß. „Es ist schon ein seltsamer Vorschlag von Herrn Haase, der insbesondere beim genaueren Hinschauen seine tatsächliche Meinung über repräsentative Demokratie und sein offenkundiges Misstrauen gegenüber Kommunalpolitik im Allgemeinen wiedergibt“, erklärt die Vorsitzende der Mainzer SPD-Stadtratsfraktion, Alexandra Gill-Gers.
Dass ehrenamtliche Kommunalpolitiker in die verschiedenen Aufsichtsräte entsandt werden, habe einen wichtigen Grund. Aufgrund der kommunalen Daseinsvorsorge, eine der wichtigsten Funktionen stadtnaher Gesellschaften, sei so zu gewährleisten, dass der in freien Wahlen gewählte Stadtrat die Kontrolle über die kommunalen Gesellschaften behalte und diese sich eben nicht zu profitorientierten Großunternehmen verwandeln könnten.
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Dennis Rink
Kommentar zu stadtnahen Gesellschaften: Politische Ebene
Fraktionen nominieren Aufsichtsräte
„Wo aber liegt denn in Herrn Haases Betrachtung der Unterschied zwischen ‚normalen‘ Bürgerinnen und Bürgern und in den Stadtrat gewählten Bürgerinnen und Bürgern?“ Die Besetzung der Aufsichtsräte spiegele das Wahlergebnis der Kommunalwahlen wieder. Es bleibe den Fraktionen selbst überlassen, wen sie für die Aufsichtsräte nominieren, benannt werden sie dann durch den Stadtrat. „Etwas mit einem Geschmäckle einfach nur in den Raum zu werfen, ohne Beweise über schlecht geleistete Aufsichtsratstätigkeit und ohne Konzept, verstärkt leider nur die Vorurteile und den Populismus gegenüber der Politik, aber das ist vermutlich auch das alleinige Ziel der getätigten Äußerung“, sagt Gill-Gers.
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Auch Sylvia Köbler-Gross kann die Forderung von Haase nicht nachvollziehen. „Vielleicht hat Herr Haase ein Problem, sich mit der parlamentarischen Demokratie auseinanderzusetzen“, sagt die Fraktionssprecherin der Grünen. „Ich wüsste nicht, in welche Schublade ich die Ratsmitglieder der Grünen stecken soll. Das sind alles mit einem Wahlmandat ausgestattete Bürger dieser Stadt, die sich ehrenamtlich engagieren.“ Bei der FDP stößt der Vorstoß auf ähnliche Reaktionen. „Es ist immer einfach, so etwas in den Äther zu blubbern“, sagt der Kreisvorsitzende David Dietz. Wenn man sich aber die Umsetzung anschaue, zeige sich, dass es ziemlich „substanzlos“ sei. Wer seien denn „normale Bürger“? Aus Dietz‘ Sicht säßen die bereits im Rat, der auch als einziges Gremium infrage komme, um die Sitze zu besetzen.
Außerdem stelle sich die Frage, für wen solch ein Mandat überhaupt attraktiv sein sollte, schließlich hätten diese Positionen auch etwas mit „Verantwortung und Rechenschaft zu tun“, ergänzt der FDP-Fraktionsvorsitzende Walter Koppius. Theoretisch sei es ja bereits möglich, Nicht-Ratsmitglieder in die Aufsichtsräte zu wählen. Dabei müssten aber die großen Partien vorangehen, da sie über mehrere Sitze verfügten und die kleineren Parteien von Informationsflüssen abgeschnitten würden, wenn sie ihren einzigen Sitz verlören.
Für Tupac Orellana, Kreisvorsitzender der Linken, hat Haase zumindest „das Problem am unübersichtlichen Netz der städtischen Beteiligungen in Mainz erkannt“. Allerdings bleibe sein Lösungsvorschlag auf halber Strecke. „Ich befürchte, dass es Haase bei der Besetzung von Aufsichtsräten und der Findung von Menschen, die gut Bilanzen lesen oder Erfahrungen aus der Arbeitswelt einbringen können, nicht um zuvor genannte ‚Normalbürgerinnen und Normalbürger‘ geht, sondern um Experten, die sich aus der selbstempfundenen Elite der Stadt rekrutieren.“ Deshalb fordert Orellana, „dass die politischen Entscheidungen aus den Hinterzimmern heraus müssen. Dafür muss bei den stadtnahen Betrieben eine Rekommunalisierung geprüft werden.“