Freitag,
21.04.2017 - 11:30
3 min
Stadtentwicklung: Bürgerbeteiligung in Kastel fällt in eine Phase, in der die Grundstücksspekulation Auftrieb erhält

Von Wolfgang Wenzel
Lokalredakteur Wiesbaden

Sigrid Möricke ist die scheidende Stadtentwicklungsdezernentin. Archivfoto: Stadt Wiesbaden ( Foto: )
KASTEL - 50 Radfahrer und 500 gute Ideen. Das wünscht sich die Stadt zur Eröffnung des Bürgerbeteiligungsprojekts „Gestalte dein Stadtquartier“. Am Freitag um 17 Uhr wird es ernst. Vom Kransand-Terrain neben der Theodor-Heuss-Brücke bis zur Mudra-Kaserne soll die Strecke beradelt werden.
Ziel ist es, bis zum Sommer ein Handlungs- und Entwicklungskonzept zu entwerfen, mit dem der Kasteler Westen städtebaulich ein anderes Gesicht bekommen soll. Als ein Wohn- und Geschäftsviertel von Format. Der Westen verfüge über ein großes Potenzial, um zu einer richtig tollen Ecke zu werden, sagte Stadträtin Sigrid Möricke (SPD). Zwei bis drei Generationen werde es dauern, dann könnten die Menschen, die heute aktiv seien, von sich behaupten, dass das damals ihre Idee gewesen sei.
„Wir sind nicht die Supermänner und -frauen, die auf alles eine Antwort haben“, sagte der Stadtplaner Markus Vaupel. Die Bürger sollten den Planern ihren Stadtteil vorstellen, sie wüssten von den Ecken, die niemand kenne, der nicht dort wohne. Viele Faktoren seien beim Umformen des Kasteler Westens als ein von der Wiesbadener Straße dominierten „Durchzugsland“ zu berücksichtigen. Eigentümer und Politiker, der Bahn- und Straßenlärm, das Hochwasser. Das Potenzial des Kasteler Westens sei auf den ersten Blick nicht zu erkennen: „Eine Durchgangsstraße in der Nähe des Rheins. Was verbirgt sich dahinter?“ Auf den Gedanken, diese Frage zu stellen, werde kaum jemand kommen.
Eine breite Mitwirkung der Bürger käme der Stadt jedoch sehr gelegen. In der Wiesbadener Straße habe die Grundstücksspekulation eingesetzt. Die Eigentümer hätten die Lage erkannt, sie brauchten nur zuschauen, wie sich der Wert ihrer Terrains allein durch die Planungen erhöhe. Die Wiesbadener Straße brauche ein anderes Erscheinungsbild. Stadteingänge müssten nicht ausschauen wie ein Ort voll Unrat. Der Promenadenweg an der Marina im äußersten Westen erwecke sogar den Anschein, als nähere man sich dem Zuchthaus von Alcatraz.
Diese und weitere Stellen hat die Stadt ausgedeutet, um sie bei der Radtour in Augenschein zu nehmen. Eine davon ist das Clemens-Gelände an der Mudra-Kaserne, ein Terrain größer als der Kasteler Stadtkern und für ein Wohnviertel gedacht. Hier habe die Wohnungsgesellschaft des Landes Hessen Pläne. Das frühere Firmengrundstück sei jedoch noch als Gewerbefläche eingestuft, die Projektgesellschaft habe begriffen, dass ihre Fläche für Wohnungen doch nicht so groß sein werde, wie sie gedacht habe. Dann das Kastel-Housing-Viertel, eine „super spannende Fläche,“ wie der Stadtplaner Holger Hoffschröer vom begleitenden Dortmunder Büro Reicher-Haase sagte. Das Haus der Bildung und Begegnung sei dort ein Kristallisationspunkt, die alten Kasernen seien bewohnt. Die Forderung laute, dass die zum Teil noch militärische Fläche komplett für eine zivile Entwicklung freigegeben werde, sagte Stadtplanungsamt-Leiter Thomas Metz.
Das Grundstück des Autohauses Karl solle nach der Schließung des Betriebs veräußert werden. Die Karl-Stiftung, Eigentümerin der Immobilie, suche eine Projektgesellschaft für Wohnungsbau.
Gegenüber des Rathenauplatzes werde die städtische Wohnbaugesellschaft (GWW) mit Neubauten ihren Auftrag erfüllen, ein Bebauungsplan sei nicht erforderlich, das Unternehmen könne sich an Nachbarbauten orientieren. Das Kransand-Gelände am Rheinufer, ein Projekt des Stadtumbaus, stehe vor der Realisierung. Am Dienstag werde der Magistrat über einen ersten Teil mit Kieskran und Sonnenstrand befinden.
Sie wünsche sich eine ganzheitliche, konzeptionelle Entwicklung und kein tröpfchenweises Vorgehen, sagte Carolin Holzer vom Verein für eine bürgerinitiierte Quartiersentwicklung. In dem Viertel solle eine neue Identität entstehen, die nicht unbedingt eine Wiesbadener oder Mainzer, sondern eine Kasteler Identität sein könnte.