Ostfeld Wiesbaden: verhärtete Fronten bei Stadtentwicklungsgesellschaft und Eigentümern
Die Fronten zwischen der Stadtentwicklungsgesellschaft und der Initiative von Grundstückseigentümern scheinen verhärtet. Dabei gibt es Potential für eine Annäherung.
Von Wolfgang Wenzel
Lokalredakteur Wiesbaden
Eine Anmutung von den geplanten Bauten auf dem Ostfeld vermittelt die Stadtentwicklungsgesellschaft mit einer Präsentation der Pläne bei einer öffentlichen Veranstaltung im Wiesbadener Roncalli-Haus. Foto: Wolfgang Wenzel
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KASTEL. Keine Annäherung zwischen Landeigentümern und der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) im Konflikt um ein Neubaugebiet Ostfeld. "Es gibt völlig konträre Meinungen", sagte Roland Stöcklin, der SEG-Geschäftsführer, nach einem Treffen mit der Eigentümerinitiative.
"Die Fronten auf beiden Seiten sind verhärtet", sagte der Sprecher der Eigentümer-Initiative, Ralf Schaab, der bei dem Treffen für einen Kompromiss geworben hatte: Verzicht auf ein Trabantenviertel am Fort Biehler, dafür ein rasch möglicher Neubau für das Bundeskriminalamt im Norden des Ostfelds. Die 25 Kleineigentümer in der Initiative seien sich einig, dass dies der Stadt eine gute Perspektive böte. Die Stadt wolle eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme mit Enteignungen beginnen. Ihre Positionen stünden auf wackligen Füßen. Es bestünde jedoch die Chance, kooperativ etwas zusammen mit der Bevölkerung zu entwickeln und nicht gegen sie.
Bezahlbares Wohnen als ein "Totschlagsargument"
Die Stadtentwicklungsgesellschaft hält an ihrer Mission fest. Sie strebe einen Treuhändervertrag mit der Stadt an, um das Ostfeld als Wohn-, Gewerbe- und Behördenstandort zu entwickeln. Gegen die Anmerkungen der Initiative zur Öffentlichkeitsbeteiligung verwahrte sich der SEG-Vertreter. Der Prozess der Bürgerbeteiligung nach neuen Wiesbadener Richtlinien sei einmalig gewesen. Daraus den Vorwurf abzuleiten, die Dinge nur vorgegaukelt zu haben, sei dreist. Es störe ihn auch persönlich, sagte Stöcklin.
Ralf Schaab hielt den Ostfeld-Befürwortern vor, sie ließen sich vom "Totschlagsargument" des bezahlbaren Wohnraums so bezirzen, dass sie für Argumente nicht mehr empfänglich seien. "Alles perlt an ihnen ab", sagte er. Die Stadtentwicklungsgesellschaft habe nur den Auftrag des Stadtparlaments im Blick: die Entwicklung des Ostfelds. Damit liefen die Befürworter einer fixen Idee aus dem Jahr 2017 hinterher. Sie blendeten aus, dass sich die Situation, beschleunigt durch die Corona-Krise, verändert habe. Der Bedarf an Bürobauten werde sinken, Versicherungskonzerne wie R+V und Allianz hielten bis zu 30 Prozent der Fläche für überflüssig.
Der Ansicht der Stadtentwicklungsgesellschaft, dass es Jahrzehnte dauere, bis dieser Trend auf dem Immobiliensektor durchschlage, teile die Initiative nicht. Vorläufig wäre es das Beste, sich von den Ostfeld-Plänen und von einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme zu verabschieden. In 20 bis 30 Jahren könnte die Situation anders ausschauen, sagte Schaab. Die Initiative werde mit SPD und CDU im Gespräch bleiben. Von Parteioberen aber sei schon signalisiert worden, dass sie sich nicht umstimmen ließen. Die Befürworter seien so von der Richtigkeit ihrer Maßnahmen überzeugt, dass sie sich auf nichts anderes mehr einließen. Ihr Credo sei das vom günstigen Wohnraum, den die Stadt brauche. Auch bei den Bodenpreisen sähen sie keinen Spielraum, sie wollten mit einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme der Stadt den Zugang zum Baugrund mit einem "Feld-, Acker- und Wiesenpreis" verschaffen.
Der Ansicht, dass am Fort Biehler ein Trabantenviertelentstehen werde, widersprach SEG-Geschäftsführer Stöcklin. "Die Planung ist auf Urbanität und Dichte ausgerichtet. Doch wir bauen keine Trabantenstadt", sagte er. Das Ostfeld werde ein Viertel mit kurzen Wegen, einer hohen Klimafunktion und nach Möglichkeit mit Arbeitsplätzen. Der Gedanke von bezahlbaren Wohnungen in einem ausgewogenen Mix von Sozial-, Miet- und Eigentumswohnungen sei richtig. Stöcklin räumte ein, dass die Landwirtschaft hergeben müsste. In der Summe gingen am Ostfeld Anbauflächen verloren. Wenn es gelänge, mit der Landwirtschaft zum Schulterschluss zu kommen, wäre das ein Lichtblick. Geschäftserfolg mache sich nicht an der Fläche fest, sondern am Grad der Wertschöpfung.
SEG wirbt für "Landwirtschaft 4.0"
Die Landwirte müssten sich überlegen, ob sie auf ihren Flächen weiterhin Rüben anbauen wollten, oder auf Salat und Gemüse umstellten. Wobei ökologische Anbaumethoden und Direktvermarktung eine Rolle spielen könnten, ohne Pestizide und mithilfe des technischen Fortschritts, mit Ernterobotern und anderem Gerät. Eine "Landwirtschaft 4.0" mit hoher Wertschöpfung böte den Betrieben im Rhein-Main-Gebiet eine Riesenchance, sagte Stöcklin. Hinsichtlich des Ackerlands gebe es Ausgleichsmöglichkeiten in der Nachbarschaft des Ostfelds. Auf dem früheren Dyckerhoff-Gelände baue ein Unternehmen Sand ab, der unter anderem auch für die Neubauten am Ostfeld eingesetzt werden könnte. Wenn die Ressourcen erschöpft seien, werde der Betrieb, an dem die Stadt beteiligt ist, stillgelegt. Die Fläche könnte dann der Landwirtschaft zugeschlagen werden.