KASTEL - Das evangelische Dekanat Wiesbaden will Menschen zur Mitarbeit in der Flüchtlingshilfe gewinnen. Besonders in Kastel mit seiner großen Gemeinschaftsunterkunft sei Engagement gefragt. „Wir merken, dass das Interesse der Bevölkerung an dem Thema nachlässt“, sagte Öffentlichkeitsreferentin Andrea Wagenknecht. Daher lege die Kirche ihr Projekt „Willkommenspartner“ neu auf.
Begleitung bis hin zum Asylverfahren
Gesucht würden Einwohner, die Neuankömmlinge neun Monate lang durchs Leben begleiten, es gehe um einfache Hilfeleistungen und um weniger banale, auch solche, die von existenzieller Bedeutung seien, wie die Begleitung zu den Anhörungen im Asylverfahren in Offenbach. Andere Aufgaben wären Hausaufgabenhilfe, Stadtführungen, bei denen sich die Geflüchteten in ihrer neuen Umgebung orientieren könnten und Begleitung bei Einkäufen in Supermärkten. Dies alles solle auf Augenhöhe geschehen, daher spreche das evangelische Dekanat von einer Partnerschaft und nicht von einer Patenschaft für Flüchtlinge.
An einer ersten Auflage des Projekts „Willkommenspartner“ im vorigen Mai hatten sich über 40 Menschen im Stadtgebiet beteiligt, sechs von ihnen wohnten in Kastel. Der Stadtteil stehe auch deshalb im Fokus, weil er ziemlich weit von der City entfernt liege und von manchen, die sich dort für das Willkommensprojekt einsetzten, nicht einfach zu erreichen sei.
Doch Kastel sei der Ort, in dem ziemlich viele Flüchtlinge gelandet seien. Einige von ihnen würden über kurz oder lang nicht mehr in einer der beiden Gemeinschaftsunterkünfte wohnen, sondern ihr Leben außerhalb organisieren wollen. Integration funktioniere nur über persönliche Beziehungen, über das Kennenlernen von Mensch zu Mensch. Wer sich an dem Projekt beteiligen wolle, habe die volle Unterstützung des evangelischen Dekanats. Es gehe darum, zwei bis drei Stunden pro Woche für die Flüchtlingsarbeit aufzuwenden. Die „Willkommenspartner“ würden vom Dekanat beraten und begleitet. Falls es menschlich zu schwierig sei, weil die Chemie nicht stimme, griffen die Projektverantwortlichen im Dekanat ein und vermittelten jemand anderen, falls dies gewünscht werde.
Das Dekanat wolle jedoch nicht nur in Kastel Einwohner für ein Engagement gewinnen, sondern in ganz Wiesbaden. Es gebe gute Beispiele für ein Gelingen von Willkommenspartnerschaften. Es gebe den pensionierten Lehrer, der seit Jahrzehnten im Stadtgebiet lebe und sich mit einem aus Teheran geflohenen Informationstechnik-Experten angefreundet habe. Und ein Ehepaar aus Breckenheim, das eine Familie mit Neuankömmlingen aus Afghanistan die ersten Monate durch ein neues Leben begleitet habe, bis zur Geburt eines fünften Kindes. Es sei eine Freude zu sehen, wie gut die Kinder des afghanischen Paares in der Schule integriert seien und fließend Deutsch sprechen.
Für die „Willkommenspartner“ der ersten Stunde ergäben sich andere Perspektiven. Für sie sei das Projekt im Februar mit einem Abschlussfest zu Ende gegangen, einige von ihnen hätten miteinander Bekanntschaft geschlossen. Mit dem Willkommensprojekt sei das evangelische Dekanat nicht auf sich alleine gestellt. Es gebe eine gute Zusammenarbeit mit dem von der Stadt getragenen Sozialdienst Asyl, der den Neuangekommenen hilfreich zur Seite stehe. Darüber hinaus habe die Flüchtlingsarbeit in Kastel eine längere Tradition, wie sich am Beispiel eines von der evangelischen Erlösergemeinde federführend initiierten Runden Tischs erkennen lasse.
Wer sich anschließen und am zweiten Durchgang teilnehmen wolle, könne sich an die Flüchtlingskoordinatorin des Dekanats, Andrea Hausy, wenden. Sie biete einen Informationsabend am Mittwoch, 8. März, um 18 Uhr im Haus des Dekanats an der Marktkirche am Schlossplatz in der Wiesbadener Innenstadt an.