Viel erreicht, aber nicht alles

Das Plakat zeigt die öffentliche Verbrennung des Code Civil durch Louise Weiss (im Vordergrund) in Paris. Foto: hbz/Michael Bahr
© hbz/Michael Bahr

Seit 100 Jahren dürfen Frauen wählen – auch wenn sie mit mehr Hürden zu kämpfen hatten als Männer. Eine Ausstellung in der VG-Verwaltung Rhein-Selz thematisiert die Geschichte.

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OPPENHEIM. Die Finninnen waren 1906 die ersten in Europa, die wählen durften. Die Frauen in Liechtenstein mussten am längsten auf ihr Privileg verzichten – bis 1984. In Deutschland jährt sie sich 2018 zum 100. Mal – die Proklamation des allgemeinen gleichen Wahlrechts für Frauen und Männer. Der lange Kampf um das Frauenwahlrecht in Europa ist Thema der Ausstellung, die jetzt im Rondo der VG-Verwaltung zu sehen ist.

Nicole Bernard hat „Mit Macht zur Wahl“, eine Leihgabe durch das Frauenmuseum Bonn, nach Oppenheim geholt. Zur Eröffnung der Ausstellung dankte Bürgermeister Klaus Penzer der Gleichstellungsbeauftragten der VG Rhein-Selz für ihr Engagement. „Mit Macht zur Wahl“ stellt geschichtliche Hintergründe und Porträts von Frauenrechtlerinnen aus zwölf europäischen Ländern vor. Miina Sillanpää ist eine von ihnen. Das finnische Dienstmädchen wurde als Vorkämpferin der Rechte für Arbeiterfrauen bekannt. Oder Marie Stritt, die als Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine für das Frauenstimmrecht kämpfte.

Die Frauen, die sich teils diplomatisch, teils militant für ihre politischen Rechte einsetzten, trafen auf unterschiedliche Bedingungen, entsprechend vielfältig waren ihre Strategien im Kampf um das Wahlrecht. Die Ausstellung zeigt auf, warum die Skandinavier zu Vorreitern wurden, Länder wie die Schweiz und Portugal hingegen als letzte europäische Staaten das Wahlrecht für Frauen einführten.

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Was alle porträtierten Frauen verbindet: Sie brauchten Mut, Ausdauer und Fantasie, um ihre Rechte durchzusetzen und die vielen Vorurteile und Verbote zu überwinden. Immer wieder „erfanden“ Politiker Hindernisse, um Frauen das Wahlrecht zu verweigern. So mussten sie Bildung, ein höheres Alter oder den vermeintlich richtigen Zivilstand vorweisen, um wählen zu können. Männer waren von diesen Einschränkungen nicht betroffen. Auch juristische Hürden galt es zu bewältigen, denn oft durften Frauen nicht an politischen Versammlungen teilnehmen oder Mitglied in politischen Vereinen sein.

Zur Eröffnung der Ausstellung zeichnete Anna Krekeler von der Universität Mainz den Kampf um das Frauenwahlrecht in Deutschland nach. Hier setzte der Rat der Volksbeauftragten am 12. November 1918 die volle Beteiligung von Frauen am politischen Leben durch. Im Januar 1919 durften Frauen hierzulande erstmals bei den Landtags- und Reichstagswahlen ihre Stimme abgeben. Zum Abschluss machte Anna Krekeler aber deutlich, dass auch in Deutschland „die Vorstellung von der Frau am Herd noch lange nachwirkte“ und die Gleichberechtigung bis heute in vielen Ländern alles andere als eine Selbstverständlichkeit sei.

Die Einführung ihres Wahlrechts bildete für Frauen einen Meilenstein. Aber der Weg zur Gleichberechtigung war – und ist bis heute – mühsam, auch wenn das Grundgesetz von 1949 im Artikel 3, Absatz 2 klar vorgibt: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Frauen hatten, rechtlich gesehen, noch lange nicht die gleichen Privilegien wie Männer. Bis 1958 durften sie etwa den Führerschein nur mit Erlaubnis ihres Ehemanns machen und bis 1962 kein eigenes Konto einrichten. Seit hundert Jahren haben sich engagierte Frauen viele Ansprüche erkämpft, einige Rechte („Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“) müssen noch erwirkt werden. Das Frauenwahlrecht von 1918 hat die geschlechtliche Diskriminierung nicht aufgehoben, aber die Emanzipation einen großen Schritt voran gebracht. „Wir haben viel erreicht“, fasste Nicole Bernard zusammen, „aber noch lange nicht alles!“