Hommage an die Orgel

Bei der Messe von Frank Martin bringt das Arton Vocal Ensemble die Mauern der Katharinenkirche zum Schwingen. Foto: hbz/Harald Linnemann  Foto: hbz/Harald Linnemann
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„Musiker! Diene und Vervollkommene Dich, übe Dich im Spiel und gebrauche die Kunst oft.” Diese Zeile ist ein Zitat aus Zóltan Kodálys Werk „Laudes Organi”, das der...

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OPPENHEIM. „Musiker! Diene und Vervollkommene Dich, übe Dich im Spiel und gebrauche die Kunst oft.” Diese Zeile ist ein Zitat aus Zóltan Kodálys Werk „Laudes Organi”, das der ungarische Komponist im Auftrag des „Atlanta Chapter for the 1961 National Convention of the American Guild of Organists“ schuf. Der Auftrag stand im Zusammenhang mit einer Tournee, die Kodály 1965 in den Vereinigten Staaten unternahm. Die Katharinenkirche in Oppenheim hat einen Abend lang den Komponisten Zóltan Kodály im Spiegel seiner Zeit reflektiert.

In einem Atemzug mit Béla Bartók

Für die Umsetzung dieses Werkes braucht es Erfahrung und Wissen. Beides kann der in Deutschland und Schweden berühmte Florian Benfer mit dem von ihm gegründeten Arton Vocal Ensemble in der Katharinenkirche unter Beweis stellen. Florian Benfer wurde in Schweden 2016 mit der schwedischen „Norrby-Medaille” in Anerkennung seiner Arbeit um die schwedische Chormusik ausgezeichnet. An der Orgel Tillmann Benfer, der Kirchenmusikdirektor am Dom zu Verden an der Aller ist und Honorarprofessor in Bremen. Der Name des ungarischen Musikers, Pädagogen und Musikethnologen Zoltán Kodály (1882-1967) wird meist in einem Atemzug mit dem seines Landsmanns Béla Bartók genannt. Beide erforschten die ungarische Volksmusik, begründeten einen neuen Nationalstil und werden in ihrer Heimat bis heute verehrt.

Florian Benfer und sein Arton Vocal Ensemble wählen einen anderen Blickwinkel auf Kodály, der gut zu dem exzellenten Projektchor mit jungen Vokalsolisten aus ganz Europa passt: Sie porträtieren den Ungarn, dessen Todestag sich 2017 zum 50. Mal jährt, im Spiegel zweier europäischer Zeitgenossen aus der Schweiz und Frankreich, Frank Martin (1890-1974) und Darius Milhaud (1892-1974). Mit diesem Programm haben sie das Oppenheimer Publikum, das bei strömendem Regen zahlreich in der Katharinenkirche erschien, verzaubert. Das eineinhalbstündige Programm ist von atemloser Stille begleitet, und nur die unglaublichen Stimmen der acht Damen mit Sopran und Alt und sieben Herren mit Tenor und Bass des Arton Vocal Ensembles bringen die Mauern der Katharinenkirche zum Schwingen. Selten hat „Acapella” so berührt.

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Alle Mitglieder des Chores, die aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Schweden, Italien, Österreich, England und natürlich Deutschland stammen, sind Solisten von höchster Qualität, obwohl noch nicht alle ihr Studium beendet haben. Der Organist Tillmann Benfer, Jahrgang 1956, kommt erst nach der Messe von Frank Martin, die in Latein gesungen wird, zum Einsatz. Es scheint so, als sei man nicht auf die Gewalt der Orgel nach dieser Stimmenvielfalt eingestellt.

Doch die Sinfonie Nr.3 in fis-moll, op.28 das Adagio für Orgel von Louis Vierne (1870-1937) erfüllt bald den ganzen Kirchenraum und zieht das Publikum in den Bann. Louis Vierne wurde trotz seiner starken Sehbehinderung, mit der er geboren wurde, zu einem Organisten von Spitzenrang, der als Organist in der Kirche Notre Dame in Paris tätig war. Als er starb, wurde die Orgel schwarz verhüllt und nicht gespielt. Das Zusammenspiel von Orgel und Chor in „Laudes Organi”, eine Hommage an die Orgel, beendet einen unvergesslichen Abend, und erst nach einer Atempause werden Orgel und Chor sowie Tillmann und Florian Benfer mit „Standing Ovations” gefeiert.