Wasser und Brot im Merian-Hotel – das weckte Assoziationen: Marie-Luise Thüne schwelgte bekanntlich in Erinnerungen an ihren Vater, der an eben dieser Stelle vor Jahrzehnten...
OPPENHEIM. Wasser und Brot im Merian-Hotel – das weckte Assoziationen: Marie-Luise Thüne schwelgte bekanntlich in Erinnerungen an ihren Vater, der an eben dieser Stelle vor Jahrzehnten eine Nacht lang „eingekerkert“ war. Doch die Veranstalter des alternativen Neujahrsempfangs wandelten natürlich mitnichten auf den Spuren irgendwelcher Thünscher Ahnen, betont nun Raimund Darmstadt: „Wir treten in die Fußstapfen von Johann Paulsackel.“
Im 19. Jahrhundert tagte im Saal die Casino-Gesellschaft
Paul...wie? Zugegeben, allzugeläufig ist der Name nicht, doch immerhin wurde vor ein paar Jahren im Oppenheimer Krämereck eine Straße nach dem guten Mann benannt. Johann Paulsackel – in Armsheim geboren, in Oppenheim gewirkt, in New Orleans verstorben – war „ein Vorkämpfer für demokratische Freiheitsrechte“, weiß das Online-Lexikon „Wikipedia“ zu berichten.
Zurück zum alternativen Neujahrsempfang, zu dem AL, CDU und einige weitere Bürger für den kommenden Sonntag, 14.30 Uhr, parallel zum städtischen Bürgerempfang einladen. „Der Ort dafür, das Merian-Hotel in der Wormser Straße, ist nicht zufällig gewählt“, erklärt AL-Vorsitzender Darmstadt, der Thünes „kleine Familiengeschichte um eine bedeutsame Information ergänzen will“. Darmstadt: „Wir treffen uns an einem historischen Ort. Denn im heutigen Casino-Saal des Merian-Hotels tagte im 19. Jahrhundert die Oppenheimer Casino-Gesellschaft. Aus dieser ging der Demokratische Verein hervor, aus dessen Reihen 1849 der Oppenheimer Lehrer Johann Paulsackel in den hessischen Landtag gewählt wurde.“
Jener Schulreformer, der sich übrigens dafür einsetzte, in Oppenheim eine „Communalschule“ zu gründen, in der Kinder aller Konfessionen gemeinsam unterrichtet werden sollten, habe in Oppenheim „die 48er Freiheitsbewegung verkörpert“, sagt Darmstadt.
Paulsackel glaubte an Freiheit, an Demokratie, an Bürgerrechte. „Von der Obrigkeit wurde er für sein demokratisches Engagement existenziell abgestraft und musste bitter leiden“, weiß Darmstadt. Schließlich wanderte der Pädagoge nach Amerika aus, wo ihn jedoch bald das Gelbfieber dahinraffte. Dass die Freiheitsidee schließlich siegte, das erlebte der Freiheitskämpfer nicht mehr.
Doch zurück zu den Anfängen: Bei den Zusammenkünften der Casino-Gesellschaft, in der sich die bürgerliche Oberschicht traf, dürfte es lebhaft zugegangen sein. Gleiches ist wohl auch vom alternativen Neujahrsempfang als Gegenentwurf zu den, so Darmstadt, „großspurigen Stadtempfängen“ zu erwarten: Über 120 schriftliche Zusagen sind bei den Organisatoren bereits eingegangen. Die Idee, Wasser und Brot als „Symbol für Sparsamkeit“ zu reichen, hat wohl aber doch für einige Verunsicherung gesorgt, die Raimund Darmstadt hiermit zerstreuen will: „Das heißt nicht, dass wir fasten müssen, weil Stadtbürgermeister Marcus Held unsere Steuergelder verplempert hat, wir würden uns ein zweites Mal bestrafen.“ Natürlich werde auch mit Sekt und Häppchen – von der preiswerten Butterbrezel bis zur „Trilogie im Weckglas“ gefeiert. Mit dem Unterschied: „Wer isst und trinkt, begleicht seine Rechnung selbst.“