„Für uns ist das Neuland“, sagt Thomas Günther – und damit meint er nicht das Internet, sondern China. Am Samstag besteigt Niersteins Stadtbürgermeister ein Flugzeug...
NIERSTEIN. „Für uns ist das Neuland“, sagt Thomas Günther – und damit meint er nicht das Internet, sondern China. Am Samstag besteigt Niersteins Stadtbürgermeister ein Flugzeug nach Peking, zusammen mit dem Ersten Beigeordneten Egid Rüger, dem Kulturbeauftragten Hans-Uwe Stapf, dem gerade in Rente gegangenen Ex-Landrat Claus Schick sowie Geschäftsführer Pierre Boos von der Wein- und Sektkellerei Jakob Gerhardt.
Zehn Tage von Peking über Shanghai bis nach Xinjiang
Zehn Tage wird sich die fünfköpfige Delegation dort aufhalten, neben der Hauptstadt stehen Besuche in der Weinbauregion der Provinz Hebei, in Shanghai, Hunan und der autonomen Uiguren-Region Xinjiang im äußersten Westen des Riesenreiches auf dem Tourenplan. Für alle ist es der erste China-Besuch, für Günther ein vorsichtiges Herantasten. „Wir müssen uns etwas überraschen lassen, wir wissen ja nicht, was da auf uns zukommt.“ Klar sei aber: „Wir werden nicht blauäugig da hinfahren oder vorschnell Dinge zusagen. Wir fliegen auch bewusst nur mit einer kleinen Einheit.“
Trotz dieser gesunden Portion Skepsis habe man relativ schnell zugesagt, als die mittlerweile auch in Nierstein ansässige Unternehmerin Xinru Fang im Frühjahr den Vorschlag machte, eine Abordnung in ihr Heimatland zu schicken. „In einer globalisierten Welt muss man solche Chancen ergreifen, China ist mittlerweile ein wichtiger Faktor in der Weinbranche und bietet große Absatzmöglichkeiten“, sagt Günther. Deshalb habe man Boos als Chef des größten Weinvertriebs in Deutschland mitgenommen. Jakob Gerhardt ist seit Langem weltweit mit Handelsagenturen vernetzt, in China allerdings bis jetzt noch nicht.
Für Günther passt die Reise auch ins Gesamtbild. „Rheinland-Pfalz ist im Austausch mit China ganz vorne dabei, in den vergangenen zwei Jahren waren etliche Chinesen, die das Rhein-Main-Gebiet besucht haben, auch hier“, berichtet der Stadtbürgermeister. Vor wenigen Wochen hatten auf Vermittlung von Fang, die Anfang 2015 das Niersteiner Restaurant „Alter Vater Rhein“ erworben hatte, zwei Unternehmen aus China deutsche Tochterfirmen im neuen Rhein-Selz-Park gegründet: Germany Hong GmbH stellt Lagerprodukte für Autos, Flugzeugteile und Maschinen her, Germany Emotion Techonology GmbH elektronische Messgeräte und Module. Die Hauptsitze beider Firmen in China stehen jetzt auch auf dem Besuchsprogramm von Günther & Co.
„Wir sind dort nicht nur für Nierstein unterwegs, sondern für die gesamte Region Rhein-Selz“, betont Günther. Deshalb habe man auch Alt-Landrat Schick mitgenommen, der über exzellente Kontakte in die Wirtschaftsszene des Landkreises Mainz-Bingen verfügt. Umgekehrt habe Xinru Fang bereits vielen hiesigen Winzern Exportkontakte ins Reich der Mitte vermittelt und einen Besuch des Einkaufschefs der Metro-Kette in Nierstein eingefädelt. Fazit: Da wächst vieles heran.
Teilnehmer bezahlen ihre Flüge und Visa selbst
„Unser Ziel ist es, etwas Konkretes mitzubringen“, sagt Günther und denkt dabei nicht nur ökonomisch. Gerne würde er auch im sozialen und kulturellen Bereich neue Kontakte aufbauen. Die Realschule plus in Nierstein hat bereits ein Austauschprogramm mit einer Schule im südchinesischen Bezirk Tong’an – solche Verbindungen will Günther gern verstärken. Und sollte am Ende doch nichts dabei herumkommen, falle die Reise wenigstens nicht der Stadtkasse zur Last: „Die Unterkünfte in China bezahlen unsere Gastgeber, die Flüge und Visa zahlen wir aus unserer Privatschatulle.“
Von Ulrich Gerecke