Blauer Brief vom Kreis Mainz-Bingen

Fehlbeträge im Hahnheimer Haushalt erhitzen im Rat die Gemüter. Die Kommunalaufsicht fordert, Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen.

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HAHNHEIM. Schon in der vorigen Gemeinderatssitzung erregte der Haushalt die Gemüter. Mit einem Minus von rund 300 000 Euro wird kalkuliert. Kein Problem, die Gemeinde ist schuldenfrei und überaus liquide, außerdem kommen bald Einnahmen aus Grundstücksverkäufen im Neubaugebiet hinzu, lautet sinngemäß die Haltung von Ortsbürgermeister Werner Kalbfuß (SPD). Großes Problem, die Gemeinde lebt über ihre Verhältnisse, gibt mehr aus, als sie einnimmt, lässt Gelegenheiten zur Sparsamkeit liegen und den eigenen Kontostand dahinschmelzen, lauten im Kern die Kritikpunkte der „Opposition“ aus WGH und CDU. Kritik, der sich der Landkreis anschließt.

In Jahrzehnten der Gemeindepolitik habe er es nie erlebt, dass vom Kreis ein „Blauer Brief“ ins Haus flattert, sagte Herbert Koch (CDU). Man müsse sparsamer wirtschaften. „Das, was Gemeinderatsmitglieder letztes Mal gesagt haben, haben wir nun schwarz auf weiß“, merkte Fraktionskollegin Christiane Ruzycki an. Der Kreis moniert, dass die Gemeinde auch für die kommenden Jahre mit Fehlbeträgen kalkuliert hat – und das, bevor das große Steuer-Minus, das die Corona-Krise wohl nach sich ziehen wird, in Sicht war. Mit Datum 24. März hat die Kommunalaufsicht in Ingelheim den Haushaltsplan beanstandet und bis 15. Mai um Verbesserungsvorschläge gebeten. Verlangt wird, die Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen.

Konkret angesprochen ist, dass die Gemeinde bei der Gewerbesteuer um 15 Punkte unter dem vom Land gesetzten Nivellierungssatz liegt. Und dass der Friedhof, der eigentlich kostendeckend betrieben werden sollte, mit Erträgen von 10 000 Euro, aber dem Dreifachen an Aufwendungen im Plan steht. Gewerbesteuer und Friedhofsgebühren rauf, das hielt sechs Wochen später im Gemeinderat aber niemand für eine gute Idee. „Zur jetzigen Zeit ein No-Go“, brachte es SPD-Sprecher Martin Alexander auf den Punkt. „Der falsche Moment“, pflichtete Koch bei. Der Kreis könne ja, hieß es beiderseits, die Umlage senken. Das Papier wies der Rat ohne Gegenstimmen, bei drei Enthaltungen aus Reihen der CDU, zurück. Die WGH war der Ratssitzung, wie zuvor angekündigt, ferngeblieben.

„Wir stehen wirtschaftlich sehr gut da“, betonte Alexander. Wenn die konkret absehbaren Erlöse aus dem Erschließungsvorteil der Gemeinde beim Baugebiet eingepreist wären, wäre man im Plus, und die Kommunalaufsicht hätte auch keinen Brief geschickt, hielt Kalbfuß fest. Aus der SPD-Fraktion wurde gefordert, die CDU möge konkrete Sparvorschläge einbringen. Koch erinnerte an eine Alternativ-Idee für günstigere, aber ortsferne Ausgleichsflächen und an entgangene Zuschüsse beim Naturkindergarten. Das wiederum brachte einige SPDler in Wallung. „Der Brief ist ein Signal, parteiübergreifend zu überlegen, was man machen kann“, richtete Peter Borngässer (CDU) den Blick in die Zukunft, in der die Zahlen deutlich kritischer aussehen dürften. Da klopften auch Sozialdemokraten auf den Tisch.