Ob Stühle oder Nähmaschinen, Kreissägen oder CD-Spieler – den geschickten Handwerkern im Gemeindehaus ist (fast) nichts zu schwer.
GUNTERSBLUM. Früher musste man reparieren, weil die Neuanschaffung zu teuer war. Heute schmeißt man weg und kauft neu. Dabei sind es oft Kleinigkeiten, die von Fachleuten mühelos repariert werden können. Das Thema Nachhaltigkeit hat auch in Rheinhessen Repair-Cafés entstehen lassen, die der Wegwerfmentalität die Wiederherstellung hochwertiger Geräte gegenüberstellt.
Einen eigenen Weg geht der von Sven Kaiser im evangelischen Gemeindesaal Guntersblum unter Mithilfe des Teams um Pfarrer Johannes Hoffmann ins Leben gerufene „Reparatören-Treff“, der sich seit April 2017 vierteljährlich trifft. Zum achten Mal finden sich zwei Dutzend Gäste ein, die 17 defekte Geräte mitbringen. Da alles seine Ordnung hat, bekommen die Geräte am Empfang von Anna Hoffmann Laufzettel, die von sechs der insgesamt zwölf Fachleute abgearbeitet werden. Am Ende stehen Scheitern (40 Prozent), Teilreparatur (10) oder Wiederherstellung (50). Oft fehlt nur ein Bauteil, das beim Hersteller, Fachhandel oder in Internetforen (Transistornet, Elektronik-Werkstatt oder Fachhandel) aufgetrieben werden kann.
Neben Organisator und Maschinenbauspezialist Sven Kaiser stehen für die Elektrik Helmut Winkler und Diethard Mayer, unterstützt vom 19-jährigen Elektroniktüftler Andreas Hoffmann, zur Verfügung, der sich einen durchdrehenden Drucker und eine kaputte Ministereoanlage vornimmt. Mit mechanischen Problemen beschäftigen sich Werner Knopf und Rolf Muders. Etwas ungewohnt muss sich Haushaltsgeräte-Spezialist Winkler mit einem aus dem Leim gegangenen Stuhl befassen. Glücklicherweise hat der Betroffene aus Dalheim – kein Anderer als Ortsbürgermeister Willhard Leib – Hammer, Holzleim und Schraubzwingen gleich mitgebracht, sodass der Stuhl sogleich auseinandergenommen, eingerichtet, neu verzapft, geleimt und befestigt werden kann. Ein Raclette-Gerät mit Kurzschluss und eine defekte Kreissäge folgen.
Einen Tisch weiter arbeitet Kaiser an einem ramponierten Mixer. Bei dem korrodierten Gerät mit Motorschaden erübrigen sich weitere Bemühungen. Dafür gibt der Mechanik-Ingenieur interessante Hintergrundinformationen: Je älter ein Gerät, umso überschaubarer und einfacher sein Aufbau. Früher wurde noch geschraubt und gelötet. Moderne Clipverbindungen und integrierte Module zerbrechen oft beim Auseinandernehmen. Bewusst verhindern Hersteller dadurch Reparaturen. So sind Akkus von Smartphones meist verlötet statt gesteckt. Andererseits gibt es noch Premiumhersteller wie den Kamerabauer Leica, der Ersatzteile für nahezu alle in den letzten 100 Jahren gefertigten Kameras bereithält.
Mechanikprofi Muders bringt gleich zwei Nähmaschinen von Pfaff und Privileg in Gang. Der Garntransport ist gestört und nicht synchron. Mit einer Generalreinigung und Neujustierung kann er das Problem lösen. Das anschließende Probenähen verläuft erfolgreich. Auf der weiteren Warteliste stehen Staubsauger, CD-Spieler, Bügelmaschine, Nachttischlampe, Dampfstrahler und Spieluhr. Die Tische werden zu Werkbänken, der Gemeindesaal zur Werkstatt. Spaß und Entspannung kommen nicht zu kurz. Zu Kaffee und Kuchen gibt es Fachgespräche, gemeinsam Probleme zu lösen macht Spaß. Generalüberholte Geräte werden einem Funktionstest unterzogen, elektrische Geräte zusätzlich einer VDE-Abschlussprüfung auf Sicherheit unterzogen. Das geht auch ohne Rechnung: Wer mag, kann in die Kaffeekasse spenden oder beim nächsten Treff Kuchen mitbringen.
Von Fred Balz