Spirituelles trifft auf Ramstein: Der Chor geht bei seinem Auftritt auch ein kleines musikalisches Wagnis ein.
GUNTERSBLUM. "Singet dem Herrn ein neues Lied" heißt es im Psalm 98 - laut Pfarrer Johannes Hoffman ein passendes Motto für das Konzert der Kleinen Harmonie Oppenheim, die nach sieben Jahren wieder in der evangelischen Kirche von Guntersblum auftrat. Tatsächlich stand zeitgenössische spirituelle Musik im Zentrum des Konzerts, zum Auftakt allerdings ging es ins 17. Jahrhundert: "All Praise To Thee, My God This Night" mit dem Text von Thomas Kens stieg in der Kirche auf, die Sängerinnen hatten sich über den gesamten Raum verteilt und schritten langsam nach vorne.
Die Kleine Harmonie ist ein ambitionierter Chor, mit seiner Leiterin Eva Leonardy feilt er am Repertoire. Von Hause aus Geigerin wechselte Leonardy ins Sopranfach und ist heute in vielen Bereichen unterwegs - von Hildegard von Bingen über Liederabende bis hin zum Musikkabarett. In Guntersblum trat sie auch als Solistin auf.
Das Konzert in Guntersblum bekam auch eine literarische Note: Thomas Esper, der Erste Vorsitzende der Kleinen Harmonie, rezitierte Theodor Fontanes Weihnachtsgedicht "Alles still" - eine Verneigung vor dem Dichter am Vorabend seines 200. Geburtstags. Meditativ wurde es mit Josef Gabriel Rheinbergs "Abendlied", das der Chor mit reiner Intonation vortrug.
Der Chor will laut Leonardy traditionelle und Neue Musik verbinden. Die Leiterin stimmte "I go on" von Leonard Bernstein an, eindringlich und raumgreifend war ihr Gesang, der nuancenreich von Miriam Gangluff am Klavier begleitet wurde. In seiner spirituellen Musik vereint Bernstein die Zwölftontechnik mit Stilen wie Jazz und Blues. "Simple Song" aus Bernsteins "Mass" wurde ebenfalls von Leonardy und Gangluff beschwörend gedeutet.
Die Hauptstücke des Konzerts stammten von Bob Chilcott. Der englische Komponist war zwölf Jahre bei den berühmten "King's Singers". "A little Jazz Mass" brachte die Kleine Harmonie tiefgründig wie beschwingt dar, Gangluff spielte Klavier, Tristan Vinzent Schlagzeug und Pauke: Chilcott schöpft aus der britischen Chortradition und verbindet sie mit Jazz und lateinamerikanischen Rhythmen. Sprühend gestaltete die Harmonie das Gloria, Versunkenheit ging vom Sanctus aus.
In "Five Days that Changed the World" setzt sich Chilcott mit fünf Ereignissen auseinander, welche die Geschicke der Menschheit positiv veränderten: die Erfindung des Buchdrucks, die Abschaffung der Sklaverei, die Erfindung des ersten motorangetriebenen Flugzeugs durch die Gebrüder Wright 1903, die Entwicklung des Penizillins durch Alexander Fleming 1928 und der Weltraumflug Juri Gagarins. Chor und Solisten boten den ersten Satz "The quick brown fox jumps over the lazy dog" pulsierend mit treibendem Rhythmus dar.
An dem Abend ging die Kleine Harmonie auch ein Wagnis ein: Eine vitale Chorversion des Hits "Engel" von Rammstein zündete, blieb unter den anderen Stücken aber ein Fremdkörper.
2020 wird sich die Kleine Harmonie Oppenheim unter Leonardy auf die Meisterchorprüfung vorbereiten, interessierte Sänger sind eingeladen, sich dem Chor anzuschließen.