Es ist höllisch laut im Mittelrheintal. Das müsste nicht sein, glaubt Autor Arno Luik, der sich in seinem Buch „Schaden in der Oberleitung“ intensiv mit der Bahn befasst hat.
MITTELRHEIN. (red). Im restlos besetzten Konferenzsaal der Stadthalle Boppard präsentierte Arno Luik sein Bahnbuch „Schaden in der Oberleitung“. Der Bahnkritiker, dessen Herz für die Eisenbahn schlägt, bemängelt darin das weltweite „bahnfremde“ Engagement des Staatskonzerns, der im Land immer mehr Strecken und Bahnhöfe schließe und durch massiven Stellenabbau technisch wie wirtschaftlich zu einem Problemfall geworden sei. „Da geht nichts mehr“ sagt Luik und beschreibt, wie Züge liegenbleiben, vollständig ausfallen oder hoffnungslos überfüllt sind, weil ein anderer Zug ausgefallen ist. Früher hätten andere Länder nach Deutschland geblickt, wenn es um die perfekte Eisenbahn ging, heute blickten wir in die Schweiz oder nach Japan, während bei uns wieder mal eine „Betriebsstörung“ herrsche.
Luik kritisiert auch die vielen Megaprojekte wie schnelle ICE-Trassen, unterirdische Bahnhöfe oder die geplante Fehmarnbelt-Querung. Hier würden Milliarden an Volksschulden aufgetürmt, ohne dass es verkehrstechnisch einen erkennbaren Nutzen gebe. Im Gegenteil, der neue Bahnhof in Stuttgart werde ein Nadelöhr, das weniger leiste als der alte Bahnhof, den man abgerissen hat.
Höllischer Lärm im Mittelrheintal
Die Bahn habe tausende von Streckenkilometern stillgelegt und sei immer weniger in der Lage, in Konkurrenz zur Straße zu treten, was doch angeblich politischer Wille sei, sagt Luik. Stattdessen fahre man auf Verschleiß, denn Strecken und Brücken neu zu bauen, das zahle der Staat, also die Bürgerinnen und Bürger, wohingegen Reparaturen und Instandsetzungen von der Bahn getragen würden.
Deshalb sei auch die Begeisterung groß für solche Megaprojekte, denn da sei die Bahn nicht nur außen vor, was die Kosten betreffe, sondern bekomme obendrein für Planung und Projektaufsicht 20 Prozent der vom Bund investierten Milliarden.
Im Mittelrheintal sei deutlich hörbar, wie mehr als 30 Jahre alte Güterwaggons einen höllischen Lärm produzierten, der nicht zu sein brauchte, wenn Strecken und Waggons gepflegt würden. In Bacharach habe er am Stammtisch mit Winzern, einem Hotelier, Unternehmern, Pfarrer und Lehrerin zusammengesessen. „Die Bahn ist ein verkommener Laden“, sagt einer in dem betreffenden Kapitel seines Buches. „Da reparieren sie was und dann bleiben Werkzeuge, die tausende Euros kosten, einfach liegen“, fährt er fort. „Ich habe Risse in meinem Haus“, sagt ein anderer. „Manchmal wackelt es so, dass die Bilder von der Wand abstehen.“ „Die Kirche ist auch voller Risse“, sagt der Pfarrer. „Wenn man den Lärm hört, denkt man, der Leibhaftige kommt, und ich wünsche mir im Paradies vor allem eines: keine Züge!“
Rad- und Schienendefekte als Ursache
Keine Züge braucht es nach der Erkenntnis von Pro Rheintal nicht, um den Lärm im Mittelrheintal, Rheingau und anderswo auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Die laufende Befragung der Bürger zeige, dass es mit normalen Lautstärken bei der Bahn gar keine Probleme gebe. Die wirklich störenden Geräusche wie das Rattern und Klopfen, Dröhnen und Quietschen sowie Erschütterungen und Vibrationen, von denen sich mehr als 95 Prozent der Befragten beeinträchtigt fühlten, seien fast ausnahmslos auf Rad- und Schienendefekte zurückzuführen, erläuterte Pro Rheintal-Chef Frank Gross. Diese Art von Geräuschen würde auch als besonders bedrohlich, erschreckend und krankmachend empfunden und führe erst zu Schlafstörungen und in der Folge zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hypertonie sowie weiteren Erkrankungen und Depressionen.
Gross demonstrierte in seiner Präsentation, wie ungeeignet die Dezibelberechnung der Bahn und des Eisenbahnbundesamtes sei, um die Lärmbelastung der Bevölkerung widerzuspiegeln. Das beginne schon mit der Trennung von Bahnlärm, Straßenlärm und Fluglärm, die die Menschen jedoch gleichzeitig treffen. Zudem führe der Mittelungspegel, der bei der Bahn die großen Pausen zwischen den Zügen einbezieht, zu einer Reduktion von 20 und mehr dB. Schließlich komme die A-Filterbewertung hinzu, mit der die wesentlichen Energien im tiefen Frequenzbereich, also die Bassfrequenzen und der Körperschall, völlig herausgerechnet werden.
Am Ende bleibe dadurch nur ein winziger Ausschnitt eines riesigen Lärmereignisses übrig, und das diene als Grundlage zur Planung von Schallschutzmaßnahmen, die entsprechend wirkungslos bleiben, wie man es im Mittelrheintal bereits einmal erlebt habe.
„Züge in Ordnung bringen, Strecken in Ordnung bringen und dann die geeigneten Maßnahmen endlich umsetzen, das müsste jetzt in den kommenden zwei Jahren geschehen, dann ist der Bahnlärm Historie“, so das Fazit von Frank Gross.