10.000 Kilometer und 62.000 Höhenmeter mit dem Fahrrad - für Stefan Schulz aus Zornheim nicht die erste, aber die bisher längste Fahrt. Was er auf seiner Tour erlebt hat.
Zornheim. Eine unbekannte ferne Region alleine mit dem Fahrrad zu bereisen gehört sicher zu den intensivsten Erlebnissen. Stefan Schulz aus Zornheim ist einer dieser Pioniere, die sich immer wieder dieser besonderen Herausforderung stellen. Für seine Touren braucht es eine gute Vorbereitung und viel mentale Stärke, denn eine gewisse Leidensfähigkeit ist bei seinen anstrengenden Unternehmungen erforderlich. Von Anchorage in Alaska bis ins kanadische Toronto war im Sommer sein avisiertes Ziel. Lange Zeit vorher wird entschieden, was mitzunehmen ist und vor allem was für drei Monate Aufenthalt in vier Satteltaschen passt.
Seine Leidenschaft mit dem Rad Touren zu unternehmen hatte der gebürtige Erfurter schon in früher Jugend entdeckt. Vor der Wende war der Erkundungsradius allerdings noch sehr eingeschränkt. „Meine Ziele waren damals Bulgarien oder Rumänien“, erzählt Schulz. Nach der Maueröffnung verschlug es ihn nach Mainz, wo er als gelernter Fräser und Dreher eine Arbeit beim Glashersteller Schott fand. Fortan stand die Welt für ihn und sein Fahrrad offen. Anfänglich zählten Island und Tunesien zu seinen Zielen, größere Touren in den Westen der USA und durch Australien folgten. Die tägliche Fahrt auf dem Rad von Zornheim zu Schott nach Mainz gehörten zu seinen Trainingskilometern.
Interessierte können „mitreisen“
Nach dem vorzeitigen Ruhestand im Frühjahr sollte mit fast 10.000 geradelten Kilometern seine bislang längste Radtour folgen. In den 100 Tagen gehörte die Radstrecke durch die Rocky Mountains mit mehr als 62.000 Höhenmetern zu den anspruchsvollsten. Seine Eindrücke sendet er von unterwegs in kleinen Filmen, vielen Fotos und authentischen Erzählungen im Wochenrhythmus in die Heimat. Freunde und Interessierte verfolgen gespannt seinen Reiseverlauf. Sie fühlen mit, wie er in einer fast menschenleeren Region auf staubigen Schotterpisten seine Pleite-, Pech- und Pannenwoche mit zig platten Reifen und Defekten an seinem Track-Bike meistern muss. Wie er wochenlang gegen die unsägliche Mückenplage kämpft. Wie er aber auch immer wieder an grenzenlos hilfreiche Menschen geraten ist. Die ihm eine neue Felge schenken oder ihn mit einem Pick-up – in einer Extratour – aus der völligen Wildnis 130 Kilometer zur nächsten Tankstelle bringen.
Streng budgetiert auch seine Reisekasse für die drei Monate. Da kommt es schon einmal vor, dass er keinen Zeltplatz findet und nach vielen abenteuerlichen Übernachtungen in der Wildnis mal wieder ein richtiges aber viel zu teures Bett her muss. Die Vermieterin hatte ein Einsehen mit seiner Urlaubskasse und ließ ihn gratis übernachten. Viele wunderbare kleine Geschichten, die Stefan Schulz zu erzählen weiß.
Tolle Erlebnisse und die nächste Route in Planung
Entlohnt wird er – bei all seinen Strapazen im Dauerregen oder enormer Hitze – mit echten Bärenbegegnungen, mit traumhaften Landschaften im Jasper-, Banff- oder dem Yellowstone Nationalpark, beim Rodeo in Cody, am Mount Rushmore oder in der Goldgräberregion am Klondike- und Yukonriver. Wo er nahe Dawsen zusammen mit echten Goldwäschern sein Glück versuchte. Leider konnte er mit den Schürffunden seine Urlaubskasse nicht merklich aufbessern.
Seit Ende September ist er zurück. „Ich bin heimatverbunden, habe in Zornheim viele Freunde, spiele beim TSV Fußball und mache Musik mit meiner Gitarre bei vielerlei Anlässen“, erzählt Schulz. Um aber am Ende doch noch zu erwähnen, dass eine Radtour zu Sohn Martin und seinen drei Enkeln nach Bulgarien längst planerisch begonnen hat.