Gau-Algesheimer Winzer betreibt noch Rebveredlung

Winzer Alexander Bernd inmitten von Pfropfreben, die mit einem speziellen Veredelungsparaffin umhüllt wurden. Foto: Thomas Schmidt
© Thomas Schmidt

Alexander Bernd schickt jedes Jahr Setzlinge in die Schule. Das Weingut Bernd seiner Familie betreibt seit Jahrzehnten Rebveredelung, der Jungwinzer führt die Tradition fort.

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GAU-ALGESHEIM. Setzling für Setzling wird aus der Kiste herausgenommen und in ein heißes Wachsbad getaucht. „Das ist ein spezielles Veredelungsparaffin“, erklärt Alexander Bernd vom Weingut Bernd in Gau-Algesheim. Der rote „Mantel“, der die Pfropfreben umhüllt, ist ein mechanischer Schutz für die sensiblen Pflänzchen, die aus zwei Komponenten zusammengesetzt sind: Auf einen Wurzelstock (Unterlage) wird mit einem speziellen Schnitt ein Oberteil (Edelreis) aufgepfropft, das von einer anderen Rebsorte stammt. Beide Teile müssen dann zusammenwachsen. Der Clou bei der Veredelung ist, dass die Unterlage unempfindlich gegen die Reblaus ist. Der aufgepfropfte Riesling, Silvaner oder Spätburgunder kann sich also entwickeln, ohne dass die Reblaus dem Wurzelwerk etwas anhaben kann.

Das Weingut Bernd in Gau-Algesheim ist einer von ganz wenigen Betrieben, die noch Rebveredelung betreiben. Und das nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch für andere Weingüter und für Hobbywinzer. „Mein Opa hat in den 1950er Jahren angefangen“, erzählt Jungwinzer Alexander Bernd. „Damals noch im Rahmen der Erzeugergenossenschaft.“ Alexanders Vater hat die Rebveredelung zu einem eigenen Betriebszweig ausgebaut, und mit dem Junior wächst gerade die nächste Generation heran.

„Mir war immer klar, dass ich was mit Weinbau machen will“, sagt der 23-jährige Alexander Bernd. „Schon als Kind war ich fasziniert von den Maschinen und Traktoren.“ Konsequenterweise hat er in Geisenheim Weinbau studiert und seine Bachelorarbeit über Rebenveredelung geschrieben. Von seinem Vater bekommt er noch immer Tipps für die Praxis. Erfahrung ist wichtig bei diesem komplizierten Prozess, der mit der Herstellung der Pfropfrebe im Gewächshaus beginnt und sich nach der Paraffinierung in der Rebschule fortsetzt.

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„Anfang Mai werden die Reben eingeschult“, erzählt Alexander Bernd. Das heißt, die paraffinierten Setzlinge kommen auf ein Rebschulfeld, wo sie bis November wachsen und gedeihen sollen. Haben sie die Schulzeit gut überstanden, werden sie erneut paraffiniert und dann ins Kühlhaus gelegt. Danach können die Rebschulabsolventen an die Kunden ausgeliefert werden.

Dass das Weingut Bernd seit Jahrzehnten Rebveredelung betreibt, wirkt sich auch auf das Sortiment des Weinguts am Gau-Algesheimer Stadtrand aus. „Mit der Veredelungssparte sind wir nah an der Forschung dran“, erzählt der Jungwinzer. Trends und Neuzüchtungen hat er stets im Blick. Die Folge ist ein breites Rebsortenspektrum, zu dem neben klassischen Rheinhessenweinen auch Rebsorten wie Auxerrois und Rosa Chardonnay zählen. Oder der Rosa Silvaner, den Alexander Bernd im Vergleich zum normalen Silvaner als „wesentlich schmelziger“ beschreibt.

Als große Herausforderung sieht der 23-Jährige die tendenziell trockeneren Sommer, mit denen sich die Winzer irgendwie arrangieren müssen. Ein Problem ist das vor allem für die Rebschule des Betriebs, denn die kleinen Reben haben keine Möglichkeit, an Grundwasser zu kommen. „Mein Opa hat die Rebschule nie bewässert“, erinnert der Jungwinzer an eine Zeit, in der die Sommermonate noch feucht genug waren. Inzwischen jedoch ist die Bewässerung aus der Rebschule nicht mehr wegzudenken. „Jedes Jahr fahren wir mehrere tausend Liter ins Feld“, macht Alexander Bernd deutlich, welchen großen Aufwand man betreiben muss, damit die Winzer trotz Klimaveränderung auch in Zukunft genügend neue Reben für ihre Weinberge haben.