Neue Dauerausstellung über Familie Zuckmayer in Nackenheim

„Ja, so eine hatte Carl Zuckmayer“: Die Kuratoren Peter Klein (li.) und Thomas Flügen zeigen eine Schreibmaschine aus der Zuckmayer-Zeit. Fotos: hbz/Stefan Sämmer
© Fotos: hbz/Stefan Sämmer

Zwei Jahre lang wurde getüftelt, jetzt ist es soweit: Im Nackenheimer Ortsmuseum können Besucher den Lebensweg des Schriftstellers und seiner Familie nachempfinden.

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NACKENHEIM. Die Zuckmayers begrüßen den Besucher persönlich. Gleich, nachdem man die Holztreppe des Nackenheimer Ortsmuseums hochgekommen ist, heißen sie Besucher quasi mit einem großen Familienfoto in Schwarz-Weiß willkommen (Bild rechts unten). Es ist jene Familie, deren Name vor allem wegen Schriftsteller Carl Zuckmayer, 1896 in Nackenheim geboren, weit über Deutschland hinaus bekannt ist – ihre Wurzeln aber in Nackenheim hat. Hier leitete Vater Carl senior die für den Ort bedeutende Kapselfabrik, die lange ein wichtiger Arbeitgeber war. Unter dem Titel „Die Zuckmayers – eine Familie aus Rheinhessen“ zeigt eine gelungene Dauerausstellung jetzt die Geschichte der berühmten Nackenheimer.

„Ja, so eine hatte Carl Zuckmayer“: Die Kuratoren Peter Klein (li.) und Thomas Flügen zeigen eine Schreibmaschine aus der Zuckmayer-Zeit. Fotos: hbz/Stefan Sämmer
Das Geburtshaus Carl Zuckmayers mit einem Teil der Kapselfabrik in Nackenheim. Foto: Ortsmuseum Nackenheim
Ein Foto der gesamten Familie Zuckmayer mit Vater Carl, Mutter Amalie sowie den Söhnen Carl und Eduard. Das Foto wurde im Sommer 1906 aufgenommen. Foto: Familie Krach

Hat der Besucher den Eingang mit dem großen Bild passiert, geht es zu Beginn der Schau um die Heimat. An der linken Wand hängt das Originalschild der Fabrik, daneben ein großes Foto des Unternehmens, dazwischen sind immer wieder Zitate zu finden. In der rechten Ecke steht eine Kiste mit bunten Weinkapseln, die früher aus einer Zinn-Blei-Legierung bestanden.

Einmal umgedreht, geht es im selben Raum im Wohnzimmer der Zuckmayers in Mainz weiter. Hier hatte die Familie ab 1900 ihren Lebensmittelpunkt. Rechts stößt der Besucher auf ein hohes, massives Holzregal. „Das sind alles Originalbücher, die Carl und sein Bruder Eduard, der Komponist und Musikpädagoge war, gelesen haben“, erklärt Kurator Thomas Flügen. Neben dem Regal auf einem kleinen Beistelltisch liegt ein rekonstruiertes Fotoalbum, mit Bildern aus Publikationen und Nachlässen. Die aufgeschlagene Seite zeigt ebenfalls den Betrieb. Darunter steht: „Unsere Fabrik und unser Haus in Nackenheim um 1900.“

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Foto- und Filmaufnahmen, eine Schreibmaschine aus der Zeit Zuckmayers, seine Erstausgaben, Briefwechsel Carls mit Theodor Heuss oder Thomas Mann: In den drei Ausstellungsräumen kann der Besucher genau nachempfinden, wie der Lebensweg des Schriftstellers (unter anderem „Der fröhliche Weinberg“ und „Der Hauptmann von Köpenick“) und seines Bruders aussah. Mit-Kurator Peter Klein sagt: „Die Gäste sollen nicht nur gucken, sondern ruhig auch Dinge in die Hand nehmen. Wir wollen nicht nur den Wanderer, der auf dem Rheinterrassen-Weg unterwegs ist, ansprechen. Sondern auch Schüler, die ein Referat halten müssen, oder Gruppen, die noch mehr über ein Thema erfahren möchten.“

Ein Team mit rund 20 Ehrenamtlichen um die beiden Kuratoren bereitet die Schau seit zwei Jahren vor. Wie viel Zeit wohl Peter Klein schon seit den ersten Ideen eingebracht hat? „Fragen Sie mich nicht. Das sind über 1000 Stunden“, sagt er.

Gut-bürgerliche Atmosphäre widerspiegeln

Das Wohnzimmer der Zuckmayers ist bewusst in warmen Tönen gehalten. Es soll mit der Eröffnung der Dauerpräsentation noch mit klassischer Musik, etwa von Bach, bespielt werden und „eine gut-bürgerliche Atmosphäre widerspiegeln, eine gut behütete Welt, in der die beiden aufgewachsen sind“, erklärt Thomas Flügen weiter und fügt hinzu: Es sei ein Umfeld gewesen, das Carl und seinen älteren Bruder Eduard prägte. Im nächsten Raum im ersten Stock der alten Schule am Kirchberg entdeckt der Gast dann eine komplett andere Welt. Graue, kalte Wände, ein Boden, erbaut aus holprigem Pflasterstein. „Der war so entlang des Geburtshauses von Carl und Eduard zu finden“, sagt Klein und ergänzt: „Der Weg sowie der gesamte Raum soll die Unwägbarkeiten eines Lebens symbolisieren.“

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Zu jenen Unberechenbarkeiten gehören bei Carl und Eduard Zuckmayer der Erste Weltkrieg, in den sie ziehen müssen, der Heimatverlust und die Flucht, zu der sie wegen des jüdischen Glaubens der Familie mütterlicherseits in den 1930er-Jahren gezwungen wurden. Schriftsteller und Dramaturg Carl floh erst nach Österreich, dann in die USA, später in die Schweiz. Eduard Zuckmayer emigrierte 1936 in die Türkei, weil die Nazis ihm Berufsverbot erteilt hatten. Dort baute er die Musikausbildung mit auf.

Und was bleibt in der heutigen Zeit von den Zuckmayers? Darum geht es im letzten Ausstellungszimmer. Bei Thomas Flügen nachgefragt, antwortet er: „Das ist zum einen natürlich die besondere Sprache Carls. Zum anderen sind es ganz viele Aspekte deutscher Geschichte, die in den Biographien der Brüder auftauchen. Krieg, Exil, Migration, eine gelungene Integration. Wenn das die Produzenten von Netflix wüssten, würden sie eine Serie daraus machen“, sagt er und ergänzt: „Hier erfährt man viel über aktuelle Themen.“

Von Bastian Hauck