Kleine Rheinhessin wochenlang isoliert im Schleusenzimmer

Schüler lesen Zeitung: Die Leukämie-Diagnose veränderte schlagartig Maxies Leben. Die Nackenheimer Schülerin beschreibt, wie sie den Kampf gegen die tückische Krankheit gewann.

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NACKENHEIM. Es ist leicht, sich über sein Leben zu beschweren, wenn man gesund ist. Sobald man schwer erkrankt, sieht man das Leben mit anderen Augen. Mit vier Jahren bin ich an Leukämie erkrankt. Das ist die häufigste Krebserkrankung bei Kindern. Die Form von Blutkrebs, die ich hatte, heißt ALL – akute lymphatische Leukämie. Sie ist eine bösartige Erkrankung blutbildender Zellen, die unbehandelt schnell tödlich verläuft.

Mir ging es die Tage vor meiner Diagnose miserabel, und ich hatte 40 Grad Fieber. Nach dem Verdacht auf Blutkrebs wurde ich sofort auf der Kinderkrebsstation der Uniklinik Mainz behandelt, auf der mich meine Schwestern, mit Ausnahme von Weihnachten, nicht besuchen durften. Nach der Knochenmarkpunktion, dies dient der Beurteilung der Ausbreitung oder Erkrankung des Knochenmarks und des blutbildenden Systems, und der Lumbalpunktion, bei der mit einer hohlen Nadel Nervenwasser auf der Höhe der Lende entnommen wird, stand die Diagnose fest: Leukämie.

Ich kam in ein sogenanntes Schleusenzimmer, in dem ich wochenlang isoliert von der Außenwelt lag. Die Chemotherapie begann unverzüglich.

Weil ich so klein war, konnte ich die Situation noch nicht einschätzen. Die bösartigen Zellen nannte ich die bösen Kerle, die in meinem Körper Ärger machen. Ich sagte: „Die müssen wir rauskicken, und dann bin ich wieder gesund.“

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Das war allerdings keine einfache Angelegenheit.

Die Nebenwirkungen der Chemotherapie waren sehr heftig. Ich hatte starke Übelkeit, Kopfweh, Erbrechen und Haarausfall. Furchtbar war es, wenn die Schleimhäute derart entzündet waren, sodass ich nicht mal mehr meine eigene Spucke runterschlucken konnte.

Zur Therapie gehörte die Einnahme von hochdosiertem Kortison. Das führte dazu, dass ich erstens stark zugenommen habe und zweitens sehr großen Appetit hatte. Am liebsten aß ich Bananen und Königsberger Klopse mit Kapern.

Heißhunger auf Bananen

An einem Tag aß ich mal sieben Bananen, nachdem ich am Morgen aufgewacht war und meiner Mutter von meinem Traum erzählt hatte. „Ich wünschte, ich wohnte in einem Bananenbaum, dann könnte ich immer Bananen essen.“

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Meine Mutter konnte meinem Flehen nach Bananen nichts anderes als nachgeben.

Wie ich zu dem Zeitpunkt aussah? Lichtes Haar, dunkle Schatten unter den Augen und Pausbäckchen.

Die gesamte Dauer der Therapie betrug 2 Jahre; 7 Monate Intensivtherapie im Krankenhaus und 17 Monate Dauertherapie mit Chemotabletten vorwiegend zuhause.

Ganz wichtig war Tag 15 nach meiner Diagnose, an dem entschieden wurde, nach welchem Therapieprotokoll weiter behandelt wurde! Der Knochenmarkpunktions-Befund entscheidet über das Therapieprotokoll, ob Low-Risk-Protokoll bei Patienten, bei denen die Chance gering ist, dass der Krebs zurückkommt, oder High-Risk-Protokoll bei Patienten, bei denen es wahrscheinlicher ist, dass der Krebs zurückkommt und die daher einer aggressiveren Behandlung unterzogen werden.

Im Tagebuch meiner Mutter, das sie für mich während der gesamten Zeit schrieb, steht: „Mama, ich habe Angst vor der Punktion“ und Tränen kullern aus Deinen Augen. Mami: „Die Ärzte machen das, während Du schläfst. Du merkst das nicht. Es ist wichtig, um zu sehen, ob die ,bösen Kerle’ aus Deinem Knochenmark verschwunden sind.“

Bei der Visite sagten die Ärzte: „Die Leukämiezellen sind aus dem Knochenmark verschwunden. Dort sind jetzt weder gute noch böse Zellen. So ist es optimal.“ Die Ärzte streckten ihre Daumen nach oben.

Alle Leukämiezellen sind aus dem Knochenmark verschwunden. Das bedeutet, ich konnte nach dem Low-Risk-Protokoll, ohne Bestrahlung bekommen zu müssen, behandelt werden. Meinen Eltern kamen vor Glück die Tränen.

Im Tagebuch steht, dass meine Schwestern Linda und Nathalie nach der Schule eine Freundin auf dem Heimweg trafen und voller Freude riefen: „Uns ere Schwester hat die Krebszellen besiegt.“

Als ich nicht mehr in dem Schleusenzimmer bleiben musste, schlich ich immer über die Station auf der Suche nach neuen Freunden zum Spielen.

Ich hatte das Glück, keine Stammzellspende zu brauchen. Viele andere an Leukämie erkrankte Menschen benötigen sie aber. Deshalb registriert Euch bitte bei DKMS (ehemals Knochenmark-Spenderdatei).

Mittlerweile bin ich wieder komplett gesund und kann mein Leben ohne irgendwelche Folgen wie jeder andere genießen.

Von Maxie Sonntag