Viele Jahre sprudeln die Steuermillionen: Rückblick auf...

In Bodenheim geht mit der endgültigen Schließung der Spirituosen-Produktionsstätte „Kuemmerling“ eine bewegte Firmengeschichte rund um den bekannten Kräuterlikör zu...

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BODENHEIM. In Bodenheim geht mit der endgültigen Schließung der Spirituosen-Produktionsstätte „Kuemmerling“ eine bewegte Firmengeschichte rund um den bekannten Kräuterlikör zu Ende. Die Gemeinde hat über Jahrzehnte von der Gewerbesteuer in Millionenhöhe profitiert; doch bereits der Verkauf des Familienunternehmens 2001 bedeutet einen tiefen Einschnitt.

Alte Kräuterlikör-Rezeptur nach wie vor geheim

Der Kräuterlikör, Anfang der 1920er Jahre vom „Reiseapotheker“ Hugo Kümmerling in Thüringen entwickelt und seit 1938 produziert, besteht aus unterschiedlichen Kräutern und Gewürzen, darunter Süßholz, Zimtrinde, Gewürznelke, Angelikawurzel und Krauseminze. Die genaue Rezeptur wird bis heute geheim gehalten. Nach der Firmengründung 1945 verlagert der Likörhersteller den Firmenstandort 1949 nach Coburg in Bayern. 1963 erfolgt der nächste Umzug des Familienunternehmens – an den Rhein nach Bodenheim. Die erfolgreiche industrielle Herstellung und Vermarktung ist mit dem Namen des Kümmerling-Schwiegersohns Johannes Persch verbunden.

Im Jahr der Ansiedlung ist Heinz Schaub von der CDU Bürgermeister der selbstständigen Weinbaugemeinde. Dem Unternehmen wird zehn Jahre lang Steuerfreiheit garantiert; die Industriestraße wird gebaut. „Viele Landwirte und Winzer hatten zunächst die Befürchtung, dass durch die Gewerbeansiedlung viele Mitarbeiter abgezogen würden“, erinnert sich Altbürgermeister Horst Kasper von der SPD (1973 bis 1984). Doch Bodenheim blüht auf. Bis zu 1000 Arbeitsplätze entstehen. Die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln – es sollen insgesamt 37 Millionen Euro gewesen sein. Viele Investitionen in die Infrastruktur sind möglich. Umso größer ist der Schock, als das Familienunternehmen 2001 an den britischen Konzern Allied Domecq verkauft wird. „Über Nacht brachen jährliche Millionensummen weg“, weiß der frühere Ortsbürgermeister Alfons Achatz von der CDU (1984 bis 2009). Die Gemeinde verschuldet sich; erholt sich nur langsam. Die Ansiedlung von kleinen und mittelständischen Betrieben wird immer wichtiger.

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Seit 2010 gehört Kuemmerling zur Henkell & Co. Sektkellerei KG; Bodenheim wird die zentrale Spirituosenproduktionsstätte der Henkell-Gruppe. Ein Großteil des einstigen Firmenareals in Bodenheim wird nicht mehr benötigt und in ein Gewerbezentrum umgewandelt. Dazu gehören das Ärztehaus „Vitanum“ und der Rewe-Lebensmittelmarkt. Das Bodenheimer Werk firmiert zuletzt nur noch als „unselbstständige Henkell-Tochter“; die Gewerbesteuer fließt ausschließlich nach Wiesbaden in die Konzernzentrale.

Eng mit der „Kuemmerling“-Firmengeschichte ist der Name des im Jahr 2012 im Alter von 93 Jahren gestorbenen Unternehmers Johannes Persch verbunden. Für sein Lebenswerk, aber auch für die jahrelange Unterstützung der Vereine, Verbände und Institutionen, wird er 2007 mit dem Ehrenbecher der Gemeinde und dem Ehrenteller der VG ausgezeichnet. Auf großes Interesse stößt die Präsentation seiner umfangreichen Autobiografie 2007. Mit Bodenheim bleibt er stets eng verbunden; er sucht sich den Platz für das von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Ehrengrab selbst aus. „Er wollte von dort aus immer auf seine alte Firma schauen“, weiß Ortsbürgermeister Thomas Becker-Theilig (SPD).