Dann laufen die Kurse halt über die Cloud

Maria Lafuente ist in Bingen damit beschäftigt, die Digitalisierung voranzubringen und zu koordinieren. Archivfoto: VHS Bingen

Online-Angebote der Volkshochschulen im Kreis Mainz-Bingen werden kräftig nachgefragt. Die Schüler profitieren, freie Honorarkräfte verzeichnen allerdings Einbußen.

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MAINZ-BINGEN. „Es ist verrückt, aber die Zeit ist trotz der Krise auch so etwas wie ein Geschenk.“ Das sagt Roberta Campanile. Sie ist Lehrerin an der Volkshochschule in Bingen. Ihre Arbeit läuft genauso wie die ihrer Kollegen weiter, wenn auch anders als zuvor. Viele Kurse finden statt. Und genau das ist ein Teil des Geschenkes. Der andere: Viele Menschen, die sich zuvor nie für Computer und Technik interessierten, haben in diesem Zusammenhang den Umgang mit Hard- und Software gelernt. Der Unterricht nämlich läuft über Clouds.

Monika Nickels ist froh, dass die Kreisvolkshochschule (KVHS) ebenso wie das Binger Institut ein mehr als ansehnliches Online-Angebot anbieten kann. Und genauso wie in Bingen waren bis April auch im Kreis die angestellten Lehrkräfte noch voll beschäftigt, vor allem mit dem Aufpeppen des Online-Angebots und der zugehörigen Konzepterstellung. Lange, so Leiterin Nickels, könne dieser Zustand aber nicht anhalten, „schließlich haben wir auch immer die Finanzen im Blick“. Die Anmeldungen zur Kurzarbeit jedenfalls seien geschrieben. Dabei ist die KVHS pekuniär gegenüber dem Binger Institut in gewisser Weise im Vorteil: Inklusive der Verwaltung gibt es beim Kreis 15 Festangestellte, in Bingen sind es dagegen 47. Bingens VHS-Chef René Nohr rechnet mit jährlichen Personalkosten in Gesamthöhe von rund 1,5 Millionen Euro. Weitaus mehr leiden als die Angestellten müssen die freien Mitarbeiter. „Schwierig ist es im Moment zweifellos für die Honorarkräfte, die ihren Lebensunterhalt mit den Kursen gestalten“, bedauert Nickels. Mehr als 300 Referenten seien allein bei der KVHS insgesamt betroffen, rund 50 ganz intensiv.

Vor drei Jahren begannen Nickels und die KVHS mit dem Einstieg in Online-Kurse, bauten diese Stück für Stück aus. „Und jetzt läuft es richtig, jetzt sind wir mittendrin“, sagt die Leiterin des Teams der Zentrale in Ingelheim. Entsprechend steigen Nachfragen und Rückmeldungen nach und aus den webbasierten Angeboten. „So viel online wie möglich“, heißt die aktuelle Devise. Die Lehrer sind in den vergangenen Wochen noch einmal gebrieft worden, kennen sich bestens aus.

Schwierig sei es in manchen Fällen mit dem Equipment bei den „Schülern“, so Nickels, auch abseits der Kinderversorgung. Gerade dann nämlich, wenn es um Deutschkurse gehe. Alphabetisierungskurse lassen sich online ohnehin nur schwerlich durchführen. Auf der Sprachebene des C 1-Levels dagegen klappe alles hervorragend. Auch auf den nächsten Hauptschulabschluss zielt ein Kurs ab.

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Dozentin Maria Lafuente ist in Bingen damit beschäftigt, die Digitalisierung voranzubringen und zu koordinieren. Das, was bis März alles andere als die Regel war, ist heute die einzige Möglichkeit, die Menschen zu erreichen: in den Abendkursen zu 50 bis 60 Prozent der Teilnehmer, die Spanisch lernen wollen, darunter auch solche, die ihren 75. oder 80. Geburtstag bereits gefeiert haben. Viele Kursleiter seien bereit, wollten mit Lernportalen und Tutorien auch Deutschkurse halten, berichtet sie. Maria hat schon vor Einführung der VHS-Cloud vor drei Jahren selbst Spanisch-Programme geschrieben und sie in den externen Datenspeicher gestellt. Arbeiten mit Ton ist möglich, Videos sollen folgen. „Aktuell spielt das Coaching der Kursleiter und das Arbeiten mit der Cloud die Hauptrolle. Ich bin froh, wenn ich abends wieder normale Kurse halten kann“, sagt sie.

Nickels hat neue Konzepte für Sprachförderung in Schulen erarbeiten lassen, um Schüler künftig noch besser unterstützen zu können. Gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund sei dies wichtig. Was jetzt in Kursen unmöglich sei, könne vielleicht im Sommer eine Rolle spielen. „Eventuell können wir in den Sommerferien ein Programm zeigen und die Kinder spielerisch anpacken“, hofft sie.

Nohr ist „begeistert, welche kreativen Ideen die Dozenten haben und wie alle schuften“. Digitale Angebote als Ersatz, der später kombiniert werden kann. Verwaltung und Lehrer, die viel Neues dazulernen. Gestreamte Kurse von Yoga bis zu Sprachen, eine live gestreamte Informationsveranstaltung, zahlreiche Filme. Nohr spricht von einer „Visitenkarte für die Zukunft“. An der arbeiten die Dozenten kräftig mit.