Seit 30 Jahren isst er kein Fleisch, aber andere für den Konsum verurteilen, würde er nie. Harald Steinberg gibt Tieren eine Stimme und sucht jetzt Menschen, die das auch wollen.
INGELHEIM. Wenn Harald Steinberg von Tieren spricht, fangen seine Augen zu glänzen an. Einmal vor Glück, weil sie ihm so viel Freude bereiten wie beispielsweise die Spaziergänge mit Nachbarshund Sibir. Aber dann ist da auch noch der Glanz in den Augen, der fast schon Tränen nahekommt. Vor Entsetzen, Wut, Unfassbarkeit darüber, was viele Tiere erleiden müssen – insbesondere in der Massentierhaltung.
Seit 30 Jahren isst Steinberg kein Fleisch mehr, und doch sagt er gleich vorweg: Er ist kein Fanatiker, der anderen Menschen etwas aufzwingen oder aufquatschen will: „Ich habe gelernt, tolerant zu sein.“ Als Steinberg von dem Aktionsbündnis „mensch fair tier“ hörte, das vor eineinhalb Jahren von Simone Forgé und Petra Kletzander ins Leben gerufen wurde, entschloss sich der Heidesheimer dazu, auch in Ingelheim eine Regionalgruppe zu gründen, die die Interessen der Gemeinschaft vertritt: Tierschutz.
„Ich bin schon immer Tierfreund und Naturfreund gewesen“, sagt Steinberg. Seit 30 Jahren ist er bereits passives Mitglied bei Greenpeace, jetzt will er selbst aktiv werden. Doch wogegen spricht sich „mensch fair tier“ eigentlich aus? „Wir sind nicht gegen, sondern eher für. Für die Aufklärung der Bevölkerung, dass sie sich mit dem Thema auseinandersetzt“, macht Steinberg deutlich. Früher hat er selbst auch Fleisch gegessen, und würde deswegen niemanden verurteilen, der es auch tut. „Es muss jeder erstmal bei sich anfangen, bevor er die Welt missionieren will“, sagt er. Aber Steinberg hofft auch, mit seiner Tätigkeit die Leute dazu zu bringen, mehr zu hinterfragen, woher das Fleisch auf dem Teller kommt. „Das bringt einen ja nicht um.“
Das Ziel sei auch nicht, aus allen Menschen sofort Vegetarier oder Veganer zu machen, sondern Bewusstsein zu schaffen – dann komme der Rest von ganz allein. Steinberg isst auch gelegentlich mal ein Ei, wenn er weiß, dass es von einem Hof kommt, wo es den Hühnern gut geht. Von heute auf morgen wolle ohnehin niemand seinen gesamten Lebensstil ändern.
„Lass doch die Menschen erstmal mit dem ersten Schritt anfangen“, sagt Steinberg daher, und der heißt: Information. Bei den Treffen, die einmal im Monat stattfinden, will Steinberg über die Arbeit des Bündnisses informieren, aber auch über Massentierhaltung, Tierversuche, Tierquälerei, Stierkämpfe und weiteres aufklären und sprechen, in den Dialog gehen und Tipps geben, wie jeder einzelne auch im Kleinen etwas zum Tierschutz beitragen kann. „Man kann nur dann etwas bewegen, wenn man sich selbst bewegt“, lautet Steinbergs Devise. Und das alles, auf einem gesellschaftlichen Niveau, mit Menschen, die ebenfalls etwas tun wollen. „Wir sind keine politische Organisation“, sagt Steinberg.
Er stellt klar, dass nicht nur Vegetarier oder Tierschützer zu den Treffen des Aktionsbündnisses eingeladen sind, sondern alle, die sich für das Thema interessieren oder „mensch fair tier“ unterstützen wollen. „Es gibt keinerlei Verpflichtungen und alles ist auf freiwilliger Basis“, sagt Steinberg. Und auch wenn er sich wünschen würde, dass viele Menschen sich ihm anschließen und Tieren eine Stimme geben, will Steinberg doch ohne große Erwartungen an die Sache rangehen. Selbst mit wenigen Unterstützern könnten Erfolge erzielt werden, so wie es Harald Steinberg im Alleingang schon jetzt geschafft hat. Profilieren will er sich mit dem, was er bisher erreicht hat, aber nicht: „Es geht um das Tierwohl und nicht um Selbstdarstellung.“
Von Ivana Kettern