Die Bäder in Bingen und Ingelheim haben ihre Öffnungszeiten eingeschränkt. Umso mehr Menschen zieht es zur Abkühlung an den Rhein - allen Gefahren zum Trotz. Eine Lösungssuche.
BINGEN/INGELHEIM. Baden im Rhein beschäftigt die Gemüter: Das extrem heiße Wochenende zog tausende Sonnenanbeter, Schwimmer und auch planschende Kinder an den großen Fluss. Weil die Schwimmbäder in Ingelheim und Bingen jeweils zwei Tage pro Woche geschlossen haben, suchen möglicherweise noch mehr Erhitzte Abkühlung am oder gar im Rhein - allen Gefahren zum Trotz.
Der Helikopter kreiste in der vergangenen Woche über der Unfallstelle in der Gaulsheimer Stillwasserzone. Feuerwehr und Polizei eilten von Wasser- und Landseite herbei. Großeinsatz. Doch die Helfer konnten nur noch die Leiche eines Familienvaters bergen. Er war beim Laufen auf dem Querwerk abgerutscht und hinter dem Steinwall in eine Unterströmung geraten – so rekonstruieren die Experten das Unglück.
Große Sorgen um Ausflügler
„Warnschilder bringen unserer Erfahrung nach gar nichts“, sagt Winfried Marx von der DLRG-Station Ingelheim. Sein Verein ist zwar auf dem Papier rund 400 Mitglieder stark. Aber Patrouillen oder gar reguläre Strandwacht kann das Ehrenamtlichen-Team nicht gewährleisten. An Wochenenden im Sommer ist die Station am Fluss immer mit mehrköpfigen Teams für schnelle Reaktionen besetzt. „Wir werden gerufen, wenn etwas geschieht“, so Marx.
Die Kollegen von der DLRG-Wacht Mittelrhein an der Slip-Rampe bei Kempten verfahren nach einem ähnlichen Modell. Die Lebensretter der Region mussten dem Hilferuf der Rheinwelle eine Absage erteilen. Der Betreiber der beiden Freibäder in Bingen und Ingelheim zog zum Saisonstart die Notbremse. „Wir haben einfach nicht genug Personal für die Aufsicht“, so Geschäftsführer Dirk Osterhoff. Jeweils zwei Wochentage bleiben die Bäder in Bingerbrück und Ingelheim geschlossen. Regelmäßige Schwimmer grüßen sich inzwischen mit Boje, Flossen und Brille am Rhein. Die Lebensretter-Profis machen sich indes mehr Sorgen um die Ausflügler, die nur ab und zu mit Wasser Kontakt und mit Flüssen oft gar keine Erfahrung haben. „Laut Statistik ist Flussbaden am riskantesten“, sagt DLRG-Bezirksleiter Roman Weber.
Eine Aufsicht gibt es am Ingelheimer Hundestrand genauso wenig wie am einladenden Heidenfahrter Ufer, in Trechtingshausen, in Mäuseturm-Nähe oder am Gaulsheimer Strandstreifen.
Sicherheitsregeln für das erfrischende Bad an Deutschlands meistbefahrener Wasserstraße sind seit vielen Sommern Dauerthema. Neu kommt nun die verschlossene Bädertür hinzu. „Schwimmbäder sind doch kein reiner Luxus“, ärgert sich Weber. Ohne Bäder, keine Vereins- und Schulausbildung. „Früher waren fast alle Kinder nach der Grundschule schwimmfest“, sagt Weber. Die Quote sei massiv gesunken. Zwei Jahre Corona hätten die Schwimmkurs-Wartelisten immens verlängert. „Auch unsere Ortsgruppen brauchen für die Ausbildung Schwimmbadzeiten“, so Weber. „Rheinschwimmen wäre unter kontrollierten Bedingungen ein Ansatz heraus aus dem Dilemma“, glaubt er.
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Wer mit Ruderern und Wassersportvereinen am Rhein spricht, hört neben dem Respekt vor dem Fluss nämlich auch noch eine andere Note: Zum Training der Jugendlichen gehört unter Aufsicht im Fluss schwimmen, um sich mit der Strömung vertraut zu machen. Nicht ins Fahrwasser, nie allein und nur an bekannten Stellen ist die Auflage. Die Idee dahinter: Wer kentert, muss mit den Gefahren vertraut sein und nicht in Panik geraten.
Die Badeübung für die Jugend ist also kein Leichtsinn, sondern schult die Ehrfurcht. Marx und seine Kollegen können nur immer wieder an die Vernunft der Menschen appellieren. „Allmählich sind wir die Rolle des Mahners aber auch leid.“ Ähnlich geht es den Naturschützern vom Auenservice. Als „Spaßbremse“ werden sie abgestempelt, wenn sie zur Umsicht am Wasser aufrufen.
Ist der Rhein vielleicht doch die Lösung?
Durch zwei Corona-Sommer stieg die Zahl der Badenden im Rhein spürbar. „Der Fluss bietet eben mehr Abstand als jedes Schwimmbad“, beobachtet Roman Weber. Der Bezirksleiter der DLRG Nahe-Hunsrück bietet mit seinem Team in Bingen Mitglieder-Schulungen an. „Schwimmen ist überlebenswichtig“, betont er. Wenn Vereinen das Wasser und Unterrichtszeiten für Kurse in Bädern fehle, dann leide der Nachwuchs, dann fehlten Rettungsschwimmer auch für Hilfseinsätze am Beckenrand der Rheinwelle. Ein Teufelskreis.
In Bausch und Bogen verdammen will Marx das Schwimmen im Rhein nicht. „Vielleicht wäre die Wiederöffnung der Rheinbäder unter Aufsicht sogar ein Teil der Lösung,“ so Bezirksleiter Weber.