Binger „Fridays for Future“-Bewegung zieht in Krisenzeiten eine Jahresbilanz und glaubt an Erfolg der Bewegung.
BINGEN. Am 15. März ist „Fridays for Future“ Bingen ein Jahr alt geworden. Aufgrund von SARS-CoV-2 finden derzeit aber keine Demonstrationen statt. Die AZ spricht mit Mitorganisatorin Saskia Halbenz.
Frau Halbenz, es wird in absehbarer Zukunft aufgrund der Corona-Pandemie wohl keine „Fridays for Future“-Demos in Bingen mehr geben ...
Ja, wir hatten zwar für Freitag, 20. März, eine Demo angemeldet, aber uns schon bevor alle Versammlungen ab 75 Teilnehmern verboten wurden, entschlossen, sie nicht durchzuführen. Für uns war eigentlich ab dem Moment, als aus der Fachwissenschaft die deutliche Ansage kam, dass Schulen geschlossen bleiben müssen, und Menschenansammlungen gefährlich sind, klar, dass bis auf Weiteres keine Demos stattfinden können. Wir sagen zum Thema Klimawandel immer: „Hört auf die Wissenschaft.“ Und hier halten wir es genauso.
Wie geht denn die lokale Bewegung damit um, dass ihr bisher zentrales Verlautbarungsorgan wegfällt?
Das ist schon schade. Wir sind mit frischer Energie aus dem Winter gekommen. Aber jeder von uns macht sich Sorgen um Angehörige, um Freunde, ein bisschen auch um uns selbst. Wir halten online untereinander Kontakt, und ich denke, die Stimmung ist den Umständen entsprechend doch ganz gut. Es ist nun eben eine besondere Situation.
Wie fällt ihr Rückblick auf ein Jahr „Fridays for Future“ in Bingen aus?
Ich glaube, wir haben lokal viel erreicht. Wir haben sehr viele Menschen auf die Straßen gebracht, so große Demonstrationen gab es in Bingen lange nicht mehr. Wir wurden ernst genommen von der Öffentlichkeit, größtenteils nicht als Schulschwänzer abqualifiziert. Besonders freue ich mich, dass wir auch abseits von Schule und TH Unterstützer gewinnen konnten. Was konkrete, auch kommunale, Klimaschutzmaßnahmen betrifft, würden wir uns natürlich noch mehr wünschen. Der neue Busfahrplan etwa scheint teilweise ein Fortschritt zu sein, teilweise ein Rückschritt, obwohl ich persönlich die Idee dahinter nachvollziehen kann. Und beim Radwegenetz könnte auch noch viel mehr geschehen.
Sie hatten bereits angedacht, neben regelmäßigen Demos vermehrt auf Vorträge und Workshops zu setzen. Ist das, vielleicht mit einer Verlagerung ins Netz, ein gangbarer Weg, um „Fridays for Future“ jetzt am Leben zu erhalten?
Unsere Ortsgruppe ist, glaube ich, doch zu klein, um so etwas kurzfristig zu bewerkstelligen. Aber es gibt von „Fridays for Future“ Deutschland sogenannte Webinare, wo man sich interaktiv online zu vielen mit dem Klimaschutz verbundenen Themen weiterbilden kann. Das nutzen wir natürlich auch und werden für die Zukunft schauen, was sich vielleicht lokal noch gestalten lässt.
Ist die Corona-Krise vielleicht auch eine Chance, das Verhältnis zu Wirtschaft und Klima zu überdenken?
Erstmal ist das eine schwere Situation, damit möchten wir nicht Werbung für unsere Ziele machen. Von der Warte der Natur geschaut, ist es schon so, dass sich jetzt vieles überraschend schnell erholt. Die Luftqualität verbessert sich, die Wasserqualität. Vielleicht hat die Krise den Nebeneffekt, dass Menschen, die gezwungen sind, sich einzuschränken, später genauer darüber nachdenken: Was brauche ich eigentlich wirklich und was habe ich gar nicht vermisst? Aber vor allem hoffen wir jetzt, dass möglichst alle Menschen gut und gesund durch die Corona-Krise kommen.
Das Interview führte Sören Heim.