Unterwegs im Binger Forst

Dezernent Jens Voll (r.) und  Pächter Markus Bender wissen: Auch touristisch spielt der Wald eine wichtige Rolle. Foto: Christine Tscherner  Foto: Christine Tscherner
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Die Idee ist uralt, greift aber jedes Jahr wieder neu: Bingen als größter Waldbesitzer der Region lädt städtische Entscheider zum Tag unter Bäumen. Wandernd aktuelle...

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BINGEN. Die Idee ist uralt, greift aber jedes Jahr wieder neu: Bingen als größter Waldbesitzer der Region lädt städtische Entscheider zum Tag unter Bäumen. Wandernd aktuelle Themen zwischen Wurzel und Borke mit eigenen Augen sehen und mit den Förstern besprechen, das hat fast 100 Jahre Tradition.

Von Klettergarten bis Bogenschießen

Forstdezernent Jens Voll (Grüne) suchte einen ungewöhnlichen Start. Er lud zum Frühstück in eine Jurte. Die Bilanz aus zehn Jahren Lauschhütte zog dort Pächter Markus Bender. Er ist einer von drei Forsthaus-Wirten im Binger Wald, investierte in den Komplett-Umbau der abgeschiedenen Immobilie und die Installation eines Klettergartens. Bogenschussparcours und Fußballgolf folgten. Inzwischen sind die Öffnungszeiten vor allem im Winter ausgedünnt.

Die Fraktionen erhielten Einblick in die wirtschaftliche Situation der Binger Höhenlage. „Nur auf Wanderer zu warten, das würde nicht funktionieren“, sagte Bender. Auf 40 Prozent beziffert er den Umsatzanteil durch angemeldete Gruppen. Für sie öffnet der Klettergarten auch wochentags. „Zum zehnjährigen Bestehen wird es Spezialangebote geben“, sagte Bender. Insgesamt ist der Pachtvertrag mit der Stadt auf 20 Jahre ausgelegt. Der Pächter weist Räte, Ausschuss-Mitglieder und Verwaltungsmitarbeiter auf Baumhäuser und Kinderspielplatz hin. „Wir wollen für die gesamte Familie hier oben Walderlebnis bieten.“

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Von der Jurte auf Forstwege: Regelmäßig steht der Blick auf Wildschäden an. „Unsere Umstellung auf Regiejagd hat sich ganz klar bewährt“, fasste Revierleiter Paul Gerhard Peitz zusammen. „Aber es reicht nicht, wenn nur wir Binger das System ändern und mehr Wild schießen.“ Wild hält sich nicht an Gemarkungsgrenzen. „Bei den Nachbarn krankt es noch gewaltig“, brachte es Peitz auf den Punkt. Zu viel Wild im Wald ist seit vielen Jahren ein Dauerbrenner. Abgefressene Triebe und angeknabberte Rinde schädigen Bäume. Waldbauliche Gutachten beziffern regelmäßig die Schadensquote.

Auch die jüngste Entwicklung bei den Nachbarn in Oberdiebach ist Thema. Jagdpächter Dr. Georg Moller-Racke will 50 Hektar Wald für 900 000 Euro dort kaufen. Der Investor strebt einen Eigenjagdbezirk rund um sein Jagdhaus an (die AZ berichtete).

Streuselkuchen und Fleischwurst waren verdaut, das erste Glas Wein nach dem Kaffee geleert. Mit dem Bus ging die Waldreise weiter vom Lauschhütten-Revier zum Vorderwald. „Dort soll es noch in diesem Jahr weitergehen mit Arbeiten im forstbotanischen Garten“, sagte Voll.

Nur wenige Laufminuten von Baumexoten entfernt wartet eine Besonderheit auf die Waldgänger: Die Foto-Schau unter freiem Himmel am Damianskopf. Noch bis zum 15. Juli ist die Kunstinstallation zu sehen. 24 großformatige Exponate haben Mainzer Fotokünstler entlang des Stichwegs installiert.

Industriefotos der Völklinger Hütte vor spektakulärem Rheinblick ernten Applaus. Experiment gelungen.

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Rund 50 Waldbesucher zogen mit Rucksack und Wanderschuhen los. Einen ganzen Tag lang Zeit für Gespräche – das ist selten genug im normalen Tagesgeschäft aus Politik und Verwaltung. Für einen Mann war der Waldgang des Stadtrats echtes Neuland: Axel Henke, seit Anfang Juni Nachfolger von Forstdirektor Dr. Gerhard Loskant. Sein Schreibtisch steht in Boppard, aber er wohnt waldnah zum Binger Revier in Weiler.