Der Binger Wald bereitet Förster Georg Kiefer zurzeit ziemlich viele Sorgen. Unter anderem gehören auch unüberlegt handelnde Zeitgenossen dazu.
BINGEN. Georg Kiefer (62) kennt den Binger Wald wie seine Westentasche. Der Förster hat sein Revier Jägerhaus/Lauschhütte genau im Blick, in sorgenvollem Blick. Die AZ fragte den Forst-Experten nach Baumfällung in bislang unbekannter Dimension, nach Borkenkäfer- und Waldbesucher-Invasion.
Herr Kiefer, was sind im Moment ihre Schlagworte?
Zu viel Hitze und Trockenheit, viele Borkenkäfer und zu viele Waldbesucher.
Klingt nach einem ziemlich dicken Paket an Förster-Sorgen. Was drückt am meisten?
Die Käferlarven-Plage, da kämpfen wir seit ein paar Tagen mit einer explosionsartigen Vermehrung. Mit dem dritten Trockenjahr in Folge war das aber fast schon vorhersehbar.
Wir liegen laut Statistik in jedem Monat des Jahres 2020 unter den normalen Regenmengen. Nur der Februar bildete eine Ausnahme. Das ist schon richtig heftig. Der Wald leidet unter der Wassernot, geschwächte Bäume sind für Schädlinge angreifbar. Die Folgen sehen wir massiv.
Als Experte wollen Sie die Not dem Stadtrat vor Ort vermitteln. Wo sieht auch der Laie den Schaden?
Wir wandern von der Lauschhütte Richtung Kandrich. Dort stehen noch alte Fichtenbestände und der Käferbefall ist wirklich massiv.
Wie kann die Stadt als Waldbesitzer reagieren? Was kann der Forstwirt überhaupt tun?
Befallene Bäume fällen und so schnell wie möglich raus aus dem Wald transportieren. Das ist das einzige Mittel, um noch gesunde Bäume zu schützen.
In den nächsten vier Wochen rechne ich mit zehn Hektar Kahlflächen im Binger Wald. Das wird die Optik stark verändern.
Das sind ja fast 20 Fußballfelder …
Ja, wenn es bei zehn Hektar bleibt. Der Höhepunkt steht uns im Herbst wahrscheinlich erst bevor.
Das sind ja schlechte Nachrichten. Ist denn wenigstens die gestiegene Wertschätzung des Waldes positiv?
Corona hat auch bei uns im Wald einiges auf den Kopf gestellt. Nicht nur an Wochenenden, sondern auch montags bis freitags herrscht seit dem Lockdown Hochbetrieb. Insbesondere den Vorderwald entdecken Familien aus der weiten Region als Naherholungsziel. Unglaublich, woher sie alle kommen, wenn der Urlaub im Ausland schwierig ist. Nur die Folgen sind wirklich nicht mehr schön.
Wieso, die Neuentdeckung des Waldspaziergangs ist doch nicht schlimm?
Aber die Wanderer denken beim Abstellen ihrer Autos anscheinend überhaupt nicht nach. Komplett zugeparkte Waldwege rund um den Bodmannstein sind eine Folge. Da ist kein Platz mehr für eine Rettungsgasse, für sich begegnende Fahrzeuge geschweige denn ein großes Feuerwehrfahrzeug. Und die Waldbrandgefahr ist bei der enormen Trockenheit hoch.
Wie sieht Ihr Appell aus?
Denkt kurz nach beim Parken, ob ein großer Holztransporter oder ein Krankenwagen passieren könnte. Die Waldwege müssen für Notfälle unbedingt frei bleiben. Und wenn wir schon beim Appell sind: Hängt keine Hundekotbeutel an Äste im Wald. Das ist zur Unsitte geworden und richtig eklig.
Das Interview führte Christine Tscherner