Von „Fahnenhochzieher von Burg Klopp“ bis zur „Weinburg“: Der Traditionsverein zog im Rheintal-Kongress-Centrum alle Register. Da hatten Mucker und Philister keine Chance.
BINGEN. Die Latte hängt hoch. Es ist die Schwarze Elf selbst, von der sie in diese Höhe verfrachtet worden ist. Und jedes Jahr ein Stückchen höher. Gerissen wurde die Messlatte noch nie. Und auch in dieser Session zur Familiensitzung nahm mit elegantem Sprung die närrische Mannschaft um Präsident Wolfgang Heinz in einem tobenden Rheintal-Kongresszentrum den selbstgesteckten Gradmesser für Spaß und Qualität. „Schee war’s“, die Narren selbst gaben nach fünfstündigem närrischem Dauerfeuer an der Garderobe und beim Hinausgehen unisono ihr Urteil ab. Erlebt hatten sie eine rednerstarke Show, mit viel Kokolores, politischem Witz und auch literarischem Tiefgang, den das Narrenschiff der Schwarzen gerne für sich einnimmt.
Von der Kapelle Boom ließ sich der Elferrat zum Einzug den Weg auf die Bühne freiräumen, wo dann der energiegeladene Vizepräsident Dennis Fischer als Sekretär bissig durch die lokale und globale Politik spazierte. Den eigentlichen Fachkräftemangel gebe es in der Regierung, sagte er. Der stellvertretende Chef der Schwarzen, Ferdinand Moos, landete mit seiner Vorliebe für völlig abgedrehte Figuren diesmal einen absoluten Treffer ins Schwarze: Er trat als Weinburg auf und forderte sein Recht. Der Saal tobte. Mit einer ebenso skurrilen Idee zog Karl-Josef Jungerts die Lacher auf seine Seite. Er trat als „Fahnenhochzieher von Burg Klopp“ auf. Eine Voraussetzung für diesen Beruf sei Schwindelfreiheit; das könne er garantieren, schließlich sei er kein Parteimitglied.
Bei der getanzten Fastnacht erlebten die Narren im ersten Teil der Sitzung eine beeindruckend synchrone und temperamentvolle Garde der Schwarzen Elf. Ein Fest für alle Liebhaber dieses traditionellen Formats. Und dann gibt es die Akteure, auf die sich alle freuen wie auf Weihachten. Denn noch vor dem ersten Wort ist klar: Jetzt wird es schön, witzig und auch berührend. Lieschen Laloi muss noch keine zwei Schritte auf die Bühne machen, da fängt alles schon an, amüsiert zu kichern. Brigitte und Joachim Giesbert ließen diesmal 50 Jahre Bingen Revue passieren, denn so lange leben sie schon in der Stadt am Rhein-Nahe-Eck. Frau und Gatte kibbeln sich dabei natürlich in bewährter Weise. Und es wird wieder offenbar, dass niemand die Binger Herzen so charmant erreicht und deshalb die Binger Seele stets auch ein bisschen rüttelnd aufzurichten vermag wie Brigitte Giesbert. Der Saal verneigt sich. Was soll ein Präsident nach einem solchen Glanzlicht der Fastnacht im Programm platzieren, ohne dass es für das Publikum und auch den betreffenden Aktiven eine Strafe wird? Marc Hoffmann natürlich muss in einem solchen Fall auf die Bühne geschickt werden. Er bewirbt sich um die Nachfolge von Pfarrer Choquet und lässt dabei keinen schrägen Gag links liegen. Die Narren zelebrieren mit ihm eine ausgelassene Messe der Fröhlichkeit. Das Männerballett tritt mit Mamba-Air schließlich eine Reise um die Welt an und entlässt einen extrem aufgeheizten Saal in die Pause.
Im zweiten Teil kocht es dann. Die Sketch-Truppe offeriert „Bares für Rares“. Irre witzig, wie der Wert einer Fleischwurst taxiert wird. Michael Choquet plaudert mit „Alexa“ und liefert eine urkomische Show in der Show mit „Genuss am Fluss“ ab. Das Schachtelballett erfreut als Weinprinzessinnen in bezaubernden Kostümen. Eb Röthgen und Jonathan Spanier kann der Narr in dieser Session gar nicht oft genug sehen. Als Schwiegervater und Schwiegersohn in spe liefern sie perfekte Narretei ab, so als ob sie schon seit 20 Jahren zusammen auf der Bühne stünden. Es folgt ein echter „Heinz“. Wolfgang Heinz in der Rolle des Pensionärs. Dankbares Thema, perfekt ausgereizt. Ja, das kann er. Die Black Diamonds nehmen als Piraten die Narren mit auf die Weltmeere. Mitreißend und wie immer in tollen Kostümen. Das ist der Höhepunkt, der nur noch mit einem Finale und der Musik der Sting Flies gekrönt werden kann.
Die Luftballons fliegen, es ist, als ob der Saal schwebt. Die Schwarze Elf verleiht Flügel.
Von Erich Michael Lang