Schülerin beklagt Situation für Fahrradfahrer in Bingen

Einbahnstraße frei für Radfahrer Richtung Fußgängerzone. Vielen Autofahrern ist die Ausnahmeregelung nicht bekannt. Das kann zu Konfrontationen mit Radfahrern führen. Foto: Christine Tscherner
© Christine Tscherner

Marina Koch ist begeisterte Radlerin. Doch Radwege, die ins Nichts führen, viele Ausnahmeregelungen und rücksichtslose Autofahrer bergen Risiken.

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BINGERBRÜCK/BINGEN. Marina Koch fordert Rücksicht ein. Die 18-jährige Hildegardisschülerin ist viel mit dem Rad unterwegs. Regelmäßig ist die Bingerbrückerin dabei mit Situationen konfrontiert, die ihr die Fahrten im Sattel fast verleiden. „Autofahrer halten keinen Sicherheitsabstand und kennen die für Radfahrer geöffneten Einbahnstraßen nicht.“ Unwirsch reagierten sogar Autofahrer auf ihre Hinweise.

Auch wenn 1,5 Meter Sicherheitsabstand nicht immer einzuhalten ist: „Ich bin doch auch ein Verkehrsteilnehmer, nur eben ohne Metallpanzer um mich herum.“ Gegenseitige Rücksichtnahme, das ist Kochs Forderung. Egal ob bei Überholmanövern am Fruchtmarkt, Begegnungsverkehr vor der Kapuzinerkirche, in zugeparkten Wohnstraßen ihres Stadtteils oder in der Schmittstraße. „Dass einige Binger Einbahnstraßen für das Rad auch in der Gegenrichtung frei sind, das checken Autofahrer häufig nicht.“ Aufklärung tue not.

„Denn eigentlich bietet Bingen gute Voraussetzungen zum Radfahren“, sagt Marina Koch. Von Stadtteil zu Stadtteil sind die Entfernungen gering, die Schüler- und Studentenzahlen hoch. Weitgehend ebene Strecken lassen sich auch ohne Elektromotor locker bewältigen. Dennoch steigen selbst vor dem Hintergrund der Klimadebatte nicht spürbar mehr Einwohner aufs Rad um. Warum? Fehlt es tatsächlich bloß an den Mobilitätsstationen für den Durchbruch auf zwei Rädern?

„In Bingen gibt es viele Radwege, die einfach im Nichts enden und viele unkluge Regelungen“, findet Schülerin Marina Koch. Beispiele: Auf ihrem Schulweg aus der Innenstadt nach Bingerbrück endet der Fahrradweg am Classico-Restaurant. Der zentrale Venarey-Les-Laumes-Platz ist wie die Darmverschlingung eher Gefahrenzone als auch nur entfernt radtauglich.

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Für Kempter und Gaulsheimer ist auf Höhe Lüning an der Mainzer Straße Schluss mit Radweg Richtung Stadt. Wer alternativ über die Brücke an der Autofähre Richtung Hindenburganlage weiter radelt, muss mehrfach einfädeln. Die Radspuren auf der Schallschutzmauer sind nur mit zweimaligen Queren der Autostraße erreichbar. Ab dem Zollamt soll sich der Radfahrer den breiten Fußweg mit Spaziergängern teilen oder mit ausparkenden Autos – beide Varianten hatten schon üble Beschimpfungen zur Folge. Eine Radroute direkt an der Rheinfront, ob in der Hindenburganlage oder im Park am Mäuseturm, fand in Bingen keine Mehrheit. Die fehlende Direktverbindung nach Dromersheim sorgt seit Jahrzehnten für Diskussionsstoff.

Wie kann Bingen Ziele aus Agenda-Arbeitskreisen umsetzen? Das Planungsbüro Südstadt aus Köln hatte 2004 bereits zu Workshops eingeladen, um Ortswissen wie das von Marina Koch abzufragen. Auch der RADar, ein Meldesystem im Internet, soll Bürgern die Möglichkeit zur Mitsprache geben.

„Null Einträge und wer eine Anregung hinterlassen will, muss sich aufwendig anmelden“, hat die Schülerin recherchiert. Warum die elegante Chance nicht genutzt wird? Die AZ fragte bei Dezernent Jens Voll (Grüne) nach.

„In vergangenen Jahren hatten wir schon 30 bis 50 Einträge auf dem Radar, dieses Jahr keinen einzigen, richtig.“ Manchmal dauere es bis zur Umsetzung, bis Kontakt mit zuständigen Behörden hergestellt, die Antwort auf dem Tisch und eine Lösung in Sicht ist. Beim Binger Radverkehr seien „200 kleine Stellschrauben zu drehen“, sagt Voll: von fehlender Beschilderung über Bordsteinkanten bis hin zu fehlenden Markierungen.

Selbstkritisch räumt er ein: „Mit etwas mehr als einer halben Stelle reicht das Stundenbudget derzeit nur für die großen Planungsmaßnahmen.“ Mehr Personalressourcen in der Stadtverwaltung müssten her, um den Radverkehr zu forcieren. Dann hätten Nutzer wie Marina auch das Gefühl, dass ihr Appell wirklich Früchte trägt.

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Jens Voll bietet deshalb an: „Gern können mir die Schwachstellen im Radverkehrsnetz auch persönlich gemailt werden.“ Wo es hakt auf Radwegen zwischen Sponsheim und Dromersheim, Bingerbrück und Gaulsheim, das wissen Nutzer zweifelsfrei am allerbesten.