Pflegeeltern kooperieren mit Binger Kinder- und Jugendhilfe

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In gemütlicher Runde: Thomas und Uta Stock, Kimberly und Juliet, Ursula Horbach-Magerl und Joachim Cohausz (v.l.). © Sören Heim

Juliet und Kimberley leben seit zehn Jahren bei Uta und Thomas Stock. Gemeinsam hat man ein großes Familien-Netz geknüpft. Die Pflegeeltern berichten aus dem Alltag.

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BINGEN. BINGEN. Denkt man an die Kinder- und Jugendhilfe St. Hildegard, denken die meisten Menschen zuerst an den Rochusberg. Vielleicht kennen einige auch die Wohngruppen in den Ortschaften rund um Bingen. Für die Finanzierung des Umzugs der Wohngruppe „Leuchtturm“ vom Rochusberg nach Bingen-Gaulsheim sammelt derzeit die AZ-Aktion „Leser helfen“. Doch die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe ist noch deutlich breiter gestreut. Derzeit arbeitet man im Programm Sozialpädagogische Pflegestellen auch noch mit 23 Pflegefamilien zusammen, bei denen 41 Pflegekinder beheimatet sind.

Eine Sozialpädagogische Pflegestelle, berichtet die Teamleiterin Pflegefamilien, Ursula Horbach-Magerl, könne man sich vorstellen wie eine normale Pflegefamilie. Doch sei Voraussetzung, dass zumindest ein Pflegeelternteil selbst eine pädagogische Ausbildung genossen hat. „Das erleichtert die Zusammenarbeit und den Alltag der Pflegefamilie. Das ist uns wichtig, da viele unserer Pflegekinder ja mit gewissen Problemen aus den Herkunftsfamilien in die Pflegefamilien kommen.“

Uta und Thomas Stock sind seit 20 Jahren als Pflegeeltern tätig. „Das Bedürfnis hatte ich bereits früh, da ich selbst als Pädagoge mit Kindern arbeite und immer wieder gesehen habe, wie nötig es wäre, dass sich mehr Menschen als Pflegeeltern engagieren“, sagt Thomas Stock. „Dann kam unsere Tochter auf die Welt und wir entschlossen uns, erst einmal ein paar Jahre zu warten. Als unsere Tochter etwa dreieinhalb Jahre alt war, wagten wir einen Anlauf, und bald zog eine Pflegetochter bei uns ein.“ Die Zehnjährige blieb in der Familie, bis sie 18 war. Dann planten die Stocks eigentlich keine zweite Pflegeelternschaft. „Aber die Kinder- und Jugendhilfe trat an uns heran mit Geschwistern, die auf keinen Fall getrennt werden sollten. Nach einem Kennenlerntreffen stellten wir fest, dass es von beiden Seiten perfekt passte. Und da konnten wir einfach nicht Nein sagen.“ Juliet und Kimberly sind nun 14 und 16 Jahre alt und leben auch schon wieder 10 Jahre in der Familie. Sodass im vergangenen Jahr nicht nur Geburtstage, sondern auch ein großer zehnjähriger Familiengeburtstag gefeiert wurde. Übrigens auch mit Mitgliedern der ursprünglichen Familie.

Diesen Zusammenhalt, das große Netz, das entsteht, heben die Pflegeeltern hervor. Es sei nicht mehr so wie früher, dass der Kontakt zur Geburtsfamilie so gering wie möglich gehalten werde. Wenn es irgendwie möglich ist, wird regelmäßig Kontakt gehalten, finden Besuche statt, werden Wochenenden miteinander verbracht.

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Regelmäßiger Kontakt zur Geburtsfamilie erwünscht

Auch weil man heute weiß, dass Kinder diesen Kontakt sowieso suchen. Das sei nicht für alle Pflegefamilien immer einfach, im Fall der Stocks funktioniere es aber sehr gut. Eng ist die Zusammenarbeit auch mit der Kinder- und Jugendhilfe. Etwa alle vier bis fünf Wochen finden Treffen der Pflegeeltern statt, von denen man sehr profitieren könne, so Thomas Stock. „Es ist einfach gut, zu wissen, welche Probleme es geben kann, wie andere Familien das lösen.“ Und auch die Kinder treffen sich. Teils gemeinsam mit den Eltern, teils als Kindergruppe, schließen Freundschaften und bauen so ein soziales Netz auf. Und natürlich sind die sozialpädagogischen und psychologischen Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, wie Horbach-Magerl berichtet, regelmäßige offene Anlaufstellen für Pflegeeltern.

Ob ein Kind bei Pflegeeltern oder in einer Wohngruppe untergebracht wird, so der Bereichsleiter Ambulante Hilfen, Joachim Cohausz, entscheide sich nach zahlreichen Kriterien. Zentral sei das Alter. Je jünger, desto intensiver werde eine Pflegefamilie gesucht. Auch die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes werden beachtet. Ältere Kinder und Jugendliche wünschen sich oft selbst die Unterbringung in Wohngruppen. Ganz entscheidend aber: „Es gibt einfach zu wenige Pflegefamilien. Deshalb freuen wir uns immer über Menschen, die diese Aufgabe übernehmen möchten.“ Neben der pädagogischen Ausbildung eines Elternteils sei die Bereitschaft zur langfristigen Verpflichtung entscheidend. Im Vorfeld werden viele Gespräche geführt und es wird ein umfangreiches Seminar besucht. Natürlich wird der Aufwand dann auch finanziell entschädigt. Neben der Pflegeelternschaft gibt es die Bereitschaftspflege, wo Notfälle untergebracht werden. Auch diese Plätze sind sehr begehrt und die Kinder und Jugendhilfe würde sich über Verstärkung freuen.