Malteser Bingen bieten „Erkundungstour“-Fortbildung für Einsatzkräfte an.
BINGEN. Hilferufe lassen sich nicht planen. Wer am Dromersheimer Hörnchen mit Herzrasen kämpft, sich mitten im Binger Wald den Knöchel bricht oder am Scharlachkopf plötzlich Sternchen sieht, der braucht Retter mit Ortskenntnis. Ein neues Seminar der Malteser verschafft Helfern den Überblick – ganz „old fashion“.
Technikvertrauen in allen Ehren. Aber ohne Karte und echtes Wegwissen nutzt an unwegsamen Stellen der beste GPS-Tracker nichts. Wegsucherei ist in heiklen Lagen fatal. Schließlich geht es um Menschenleben, und manchmal sind Minuten wirklich entscheidend.
„Wer sich nicht auskennt, kann schon mal zum Notruf vom Schweizerhaus die B9 ansteuern“, nennt Eric von Eyss, Geschäftsführer der Binger Malteser, als Beispiel für blindes Technikvertrauen. Natürlich weiß der Binger: Vom Rhein hinauf zum Schweizerhaus führen nur steile Wanderwege. Über Bingerbrück und den Bodmannstein müsste ein Rettungsfahrzeug auf eine Waldpiste einbiegen. „Wer in Mainz in der Rettungsleitstelle sitzt, der kennt die Örtlichkeit nicht so selbstverständlich.“
Was in Krimis klappt, stößt beim echten Rettungseinsatz an Grenzen. „Bis die Staatsanwaltschaft eine Handy-Ortung erlaubt, können im Normalfall Tage vergehen.“ GPS-getrackte Forst- und Wingertwege bieten scheinbare Sicherheit. Das Beispiel Schweizerhaus zeigt: Die beste Ortung eines Hilferufs kann Steillagen schlicht außer Acht lassen. Auch ist privat die Standort-Mitteilung per Whats-up ein Klacks. Aber Rettungsdienste haben offiziell darauf keinen Zugriff.
„Außerdem gibt es ganz simpel auch Stellen bei uns im Gebiet ohne Handyempfang“, nennt der erfahrene Malteser Forsttäler als Beispiel.
Fakt ist: Ein Handy in der Tasche ist im Notfall noch keine Überlebensgarantie. Retter müssen die Stelle auch flott finden. Deshalb initiierten die Malteser die Premiere. „Erkundungstour“ tauften sie harmlos die Anfahrt zu kniffligen Positionen im Gebiet der Rettungswachen Bingen, Gensingen und Münster-Sarmsheim.
Malteser Hilfsdienst, Deutsches Rotes Kreuz und Rettungsdienst Corneli schulen an drei Tagen ihre Teams. Die Einladung zielt auf Mitarbeiter, Personal der Rettungsleitstellen und Ehrenamtliche. „Manchmal muss man sich auf ziemlich vage Ortsangaben verlassen“, weiß von Eyss. Der erste Waldweg rechts nach den drei Buchen, auf Höhe der Liegebank über die Lichtung? Solche Durchsagen können richtig haarig werden.
„Essentieller Vorteil ist für uns, markante Anhaltspunkte im Einsatzgebiet zu kennen“, sagt von Eyss. Der Golfplatz in St. Johann oder das Hörnchen in Dromersheim nennt er. Aber auch stark frequentierte Spazierwege am Rochusberg, der weitläufige Binger Forst mit Augenmerk auf die Kletterfelsen im Morgenbachtal sowie das Rheinufer nehmen die Helfer ins Visier.
Am 14. und 16. November stehen die nächsten Erkundungstouren an. Gute Vorbereitung, das wird dem Laien klar, sie kann im Zweifel wirklich Lebensrettung bedeuten. Daumen hoch also für die Aktion.