Neues Team im Binger Wingert

Frank Hemmes, Jakob Bischof, Steffen Bischof und Felix Hemmes (v.l.) auf dem städtischen Weinberg. Foto: Christine Tscherner

Pächter Steffen Bischof und das Weingut Hemmes wollen die einmalige Lage des Weinbergs durch eine Kooperation bestmöglich nutzen. Ein einzigartiger Binger Stadtwein soll entstehen.

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BINGEN. Eine Stadt mit eigenem Weinberg: Der Riesling-Hang unterhalb der Burg Klopp ist eine echte Besonderheit. Der Schieferuntergrund macht ihn einmalig in Rheinhessen. Durch eine neue Kooperation soll die Ausnahme-Lage neu aufgestellt werden.

Selbst an einem trüben Wintertag ist das Panorama aus den Rebzeilen gigantisch. Unterhalb der Riedelruhe stehen fast 50 Jahre alte Weinstöcke am Burgberg. Zwischen Burg Klopp und Häuserzeilen liegt ein knapper Hektar. Landwirtschaft mitten in der Stadt? Anderswo wäre mit dem Super-Ausblick ein begehrtes Wohngebiet entstanden. Bingen hielt jedoch am Weinberg in Stadteigentum fest. „Der Wingert ist einmalig“, schwärmt Steffen Bischof, Pächter und Nebenerwerbswinzer aus der Marschallgasse. Er lebt inzwischen mit seiner Familie in Kempten. Im Binger Stadtteil entstand die Kooperation mit dem Weingut Hemmes.

„Ein Schulfreund hat seine Masterarbeit über Wein und Gestein geschrieben“, erinnert sich Felix Hemmes, 25, an den Ursprung. Eine gemeinsame Gästeführung endete am städtischen Weinberg. Die extreme Lage, steil und mit 100 Prozent Schiefer völlig exotisch in Rheinhessen, das reizte den Jungwinzer. Der Kontakt zum Pächter folgte.

Steffen Bischof bearbeitet den letzten städtischen Weinberg seit zwölf Jahren. Die Rebzeilen sind eng. Zu eng für schweres Arbeitsgerät. Denn die Stöcke wurden 1971 gepflanzt, als es in Rheinhessen noch um Menge ging. Steffen Bischof weiß um die Vorzüge der Lage: Sonne vom späten Vormittag bis zu den letzten Strahlen am Abend. Dazu kommt perfekte Wärmespeicherung durch den Schieferboden. Der Nachteil: Neupflanzungen wachsen extrem langsam. „Zwölf Jahre alte Pflanzen sehen aus wie zweijährige.“

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Die meisten Reben des Hangs sind jedoch 47 Jahre alt und noch von Heinz Grünewald als Pächter gepflanzt. Steffen Bischof liebt seine Steillage am Fuß der Burg Klopp trotz schwieriger Bedingungen. „Fast alles ist Handarbeit.“ Zwei Wochen dauert der Rebschnitt, für den anderswo für gleiche Fläche nur zwei Tage nötig wären.

Beim anstrengenden Sommer 2018 half das Hemmes-Team bereits beim Heften am Kloppberg aus. „Ich bin kein Einzelkämpfer und offen für Kooperation“, sagt Steffen Bischof. Dem gelernten Grafiker gefällt die Ausrichtung des Geisenheim-Absolventen Felix Hemmes. Nachhaltigkeitsgedanke und Erlkönige überzeugten. Die Arbeitsteilung ist abgesteckt: Bischof übernimmt die Weinbergsarbeit; die Lese läuft zusammen und die Verarbeitung bis zur Füllung erfolgt im Hemmes-Weingut.

Der Burg-Weinberg kann mit viel Geschichte punkten. Die Reben erinnern an die einst stolze städtische Weinwirtschaft. Bis 1967 nämlich beschäftigte die Stadtverwaltung eigene Angestellte. Um Kellermeister Johann Mett standen zuletzt acht Mitarbeiter auf der Lohnliste. Sie bearbeiteten Weinberge, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt lagen.

Zeile für Zeile wichen sie Bauprojekten: Das Stefan-George-Gymnasium erweiterte in ehemalige Rebkulturen, die Fachhochschule siedelte in Büdesheim auf städtische Rebflächen. Der Stadtwein wurde in vielen Binger Lokalen ausgeschenkt – sehr zum Leidwesen der selbstständigen Winzerbetriebe. Denn für sie war der Stadtwein echte Konkurrenz.

Auch Streit und Ärger mancher Stadtratsrunde soll mit Stadtwein hinuntergespült worden sein. Zu offiziellen Anlässen wie dem traditionsreichen Neujahrsempfang floss er in die Gläser. Als Präsent an Gäste des Rathauses gingen die Flaschen an Ehrengäste.

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Der erste Jahrgang liegt bereits im Keller

Daran würde die Kempter Kooperation gern anknüpfen. Fakt ist: Wein vom städtischen Wingert ist flüssiges Werbemittel. Bingen, die Stadt mit dem eigenen Weinberg mitten im Zentrum, das wollen Bischof und Hemmes mehr in den Mittelpunkt rücken. Der erste Jahrgang der Kooperation liegt bereits im Keller.

„Ein Teil wird Sektbasis“, sagt Felix Hemmes. Zwei unterschiedliche Rieslinge entstehen zudem unter seiner Ägide. Die Kempter Kooperation will den Winter für die Vermarktung nutzen. Bis zur Füllung des ersten Jahrgangs „Riesling vom städtischen Weinberg“ können auch die Ideen noch reifen ...