Etwa 10 000 Euro kostet die Ausbildung zum Fahrlehrer. Da außerdem niemand weiß wie das Berufsbild in Zukunft aussehen wird, fehlt es der Branche an Nachwuchs.
BINGEN. Nachwuchssorgen: Fahrlehrer werden händeringend gesucht, viele gehen bald in Pension. An Schülern herrscht dagegen kein Mangel. Über Assistenztechnik, teure Prüfungen und Autos als Statussymbol.
Die Fahrschul-Branche leidet unter Fachkräftemangel. Auch einige Binger Fahrschulen würden sofort einstellen, wenn der Arbeitsmarkt es hergäbe. Wer seine Mitarbeiter halten oder neue ködern will, muss die Gehaltsschraube nach oben drehen. „Wir würden sofort jemanden einstellen“, sagt Ulrike Trautmann-Schneider, Chefin der FSB-Fahrschule.
Der Führerschein verliert an Bedeutung
Was die Fahrerlaubnis verteuert, sei eher die zunehmende Zahl an Sonderfahrten und der immer umfangreichere Theoriestoff. Mobil sein, das hat hohen Wert. Vor allem für Jugendliche in ländlichen Regionen. Endlich nicht mehr auf Bus, Bahn und „Mutti-Taxi“ angewiesen sein – der Führerschein macht’s möglich.
„Aber die große Bedeutung wie zu meiner Jugendzeit hat der Führerschein nicht mehr.“ Martin Stassen, 52, betreut viele Fahrschüler erst ab Anfang 20. Und das trotz der Möglichkeit zum begleiteten Fahren mit 17 Jahren. „Viele scheuen Eltern auf dem Beifahrersitz“, weiß Stassen. Wer ein Jahr lang klar kommt mit den Erwachsenen als Co-Piloten, der profitiert belegbar. Aber wer vor dem geistigen Auge bereits den ewig mahnenden Vater sieht, lässt lieber die Zeit arbeiten und startet später. Gab es vor zehn Jahren eher zu viele Fahrschulen, habe sich auch durch die Zuwanderung das Bild gedreht. Fahrlehrermangel ist auch in Bingen Realität. Martin Stassen suchte lange nach einer Aushilfe. Warum Nachwuchs so dünn gesät ist? „Die Bundeswehr fällt als Ausbilder weg“, sagt er.
Im Durchschnitt sind deutsche Fahrlehrer älter als 55 Jahre. „Wenn ich in Veranstaltungen mit Kollegen sitze, wirkt das fast wie im Seniorenheim“, lacht Wolfgang Ruby, 64, von der Fahrschule Simon in Büdesheim. Beide Söhne sind inzwischen eingestiegen, vom Geschäftspartner Lunkenheimer ebenfalls Bruder und Sohn. Familienbande helfen.
„Zwei Fahrschullehrer haben wir derzeit in Ausbildung, selbst ausbilden ist wichtig“, sagt Wolfgang Ruby. Zwar dauert die Ausbildung keine drei Jahre wie in anderen Berufen, ist aber teuer: Vier Monate Praxiszeit folgen auf fünf Monate Theorie mit Pädagogik, Recht und Gefahrenlehre – alles unbezahlt bei Kosten von knapp 10 000 Euro.
So sicher wie das Bestatterhandwerk sei der Fahrlehrerjob zudem längst nicht mehr. „Das eigene Auto ist vor allem für junge Leute in der Stadt kein Statussymbol mehr“, stellt Martin Stassen fest. Auch autonomes Fahren bringt die Berufswahl ins Wanken.
„Wir haben immer mehr Assistenzsysteme in den Wagen“, sagt Stassen. Digitalisierung schafft für Fahrlehrer einerseits erhöhten Erklärbedarf an Bord und andererseits Zukunftssorgen: Schafft autonomes Fahren irgendwann das gesamte Berufsbild ab? „Ob der Fahrlehrerberuf überhaupt noch für 40 Jahre Berufstätigkeit trägt, das steht für Anwärter durchaus in Frage“, sagt Stassen. Mobilität der Zukunft kann komplett anders aussehen als heute.
Wolfgang Rubys Steckenpferd in der Fahrschule ist die Ausbildung von Berufskraftfahrern. „Dort herrscht Mangel ohne Ende.“ Gemessen am Fahrkräftemangel in der Brummi-Branche sei die Fahrlehrer-Not noch kein Sorgenfall.