Patrick Roos hat sich in Frankreich für den Iron Man auf Hawaii 2020 qualifiziert. Damit löste er als einer der ersten Deutsche das Ticket für das härteste Rennen der Welt.
BINGEN/VICHY. Urlaub in Frankreich? Nichts Ungewöhnliches. Nur mal eben dort das Ticket nach Hawaii abholen zum Iron Man, das gelingt wahrscheinlich den wenigsten. Patrick Roos, 41, kombinierte den Trip ins Nachbarland mit der Qualifikation für das härteste Rennen der Welt. Der Binger wird zum zweiten Mal auf der hawaiianischen Insel Big Island an den Start gehen.
3,8 Kilometer Schwimmen, danach 185 Kilometer mit dem Rad und anschließend noch gut 42 Kilometer laufen – jede Distanz für sich wäre schon Herausforderung genug. Nur knallhartes Training und eiserne Disziplin legen die Basis. Einmal im Leben in Hawaii? Diesen Traum hatte sich Patrick Roos bereits im vergangenen Jahr erfüllt. Der Frankfurt-Ironman war 2018 seine Eintrittskarte. Warum Frankreich? „Eigentlich war ich nur wegen meiner Freundin dort.“ Vichy bietet als einer von wenigen Wettkampforten die Mittel- und Langdistanz am gleichen Wochenende. Partnerin Michelle ging Ende August auf der Mitteldistanz ins Rennen, Patrick auf der Iron-Man-Strecke. „Die Radroute wurde kurz vor dem Start in eine ziemlich hügelige Variante geändert, 2000 Höhenmeter waren hart.“
Er lief als 17. über die Ziellinie, gewann als Zweiter seiner Altersklasse und sicherte sich damit einen von 40 Vichy-Plätzen für Oktober 2020 in Hawaii. „Vichy war die allererste Quali weltweit für das kommende Jahr“, so Roos. Nur eine Handvoll Deutsche halten aus dem 1600-Teilnehmer-Feld bereits die Startberechtigung in der Hand. Im vergangenen Jahr traten insgesamt vier Binger, drei Männer und eine Frau, beim berühmten Wettstreit auf Hawaii an. „Im Vorfeld und auf der Insel haben wir uns getroffen, aber das Training bestreitet jeder für sich allein“, so Roos.
Der Hype um einen Startplatz ist gewaltig. Seit Mitte der 1980er Jahre ist sowohl für Amateure als auch Profis eine Qualifikation nötig. Weltweit sind nur 38 Wettkämpfe lizenziert. Der Iron Man Hawaii gilt als ältester Triathlon über die Langdistanz. Zum ersten Mal wurde das Rennen 1978 ausgetragen. Es gilt als Nagelprobe für Ausdauersportler. Denn die Athleten brauchen nicht nur körperliche und mentale Fitness. Auch das das Klima setzte ihnen gewaltig zu: Die weitgehend schattenlose Laufstrecke ist bei über 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit nie ein Spaziergang. Hawaiianische Lavawüste und Ho’o-Mumuku-Winde sind unter Radsportlern berüchtigt.
Ungewöhnlich: Bis vor zehn Jahren galt Patrick Roos nicht einmal als sonderlich sportlich. „Angefangen habe ich mit einem Lauf für meinen Fußballverein.“ Der FC St. Pauli rief zum Spenden-Lauf in Hamburg auf. Das Rennen für den guten Zweck motivierte den Binger. Marathonläufe wurden sein Ding.
Seit 2014 kam die Herausforderung mit drei Disziplinen hinzu. Erst ein halber Iron Man, dann 2016 die volle Distanz. Bei seinem ersten Versuch in Hamburg verpasste Patrick Roos nur knapp den Hawaii-Slot. „So unerreichbar war der Wettkampf also für mich nicht.“
Beim Frankfurt-Ironman konnte sich der Binger 2018 qualifizieren. Und die Teilnahme im vergangenen Jahr hat den Hunger anscheinend nicht gestillt.
Im Oktober 2020 geht es wieder auf die andere Seite der Erde. „Wir haben drei Wochen Urlaub angesetzt, sonst lohnt sich die weite Reise nicht.“ Patrick Roos ist in Bingen aufgewachsen und lebt in der Rhein-Nahe-Stadt. Er arbeitet als Software-Entwickler in Wiesbaden. Wo er die Zeit für bis zu 25 Wochenstunden Training hernimmt?
Noch vor dem Büro Schwimmen, abends zwei Stunden aufs Rad oder auf die Rolle und mit Krafttraining manchmal bis zu drei Einheiten täglich – ein heftiges Programm. Am Wochenende warten die Lang-Distanzen mit 100 Kilometer Radfahren oder 30-Kilometer-Läufen. Nur montags steht mit einer Stunde Yoga eher ruhiges Programm im Kalender.
„In den acht Monaten vor dem Wettkampf geht das Training klar vor.“ Alkohol und ausschweifendes Nachtleben sind tabu. Zudem ist der Iron Man teuer für Amateure wie Patrick. Denn allein die Startgebühr kostet 1000 Dollar.
Ein klein wenig profitiert er vom Firmensponsoring als Influencer der Sportlerszene: Ein neues Rad zu günstigen Konditionen, Schwimmbrille und -hose – das wirkt nicht gerade üppig für all den Schweiß und den Verlust an Freizeit. „Aber um Einkünfte aus dem Sport geht es mir überhaupt nicht.“
Körperlich und mentale Kraftakte sind die mindestens achtstündigen Wettkämpfe ohne Frage. „Gesundheitssport sieht anders aus, stimmt.“ Wo Hobbysportler also dankend ablehnen, bekommen Triathleten glänzende Augen. Hawaii, die Inselgruppe im Pazifik, gilt als ihr Mekka. Allein die Teilnahme gilt bereits als Zeugnis für Zähigkeit und Willenskraft.