„Dürfen Autos töten?“ – Science Lounge lockt 120...

Autonomes Fahren und die Auseinandersetzung mit ethischen Konflikten: Professor Jens Passek informierte in der legeren Atmosphäre der Science Lounge über Dilemma-Experimente.Foto: Tscherner    Foto: Tscherner
© Foto: Tscherner

Neues Format: Die TH zeigt, wie Feierabend-Bier und Wissenschaftstalk zusammenpassen. Die Premiere der „Science Lounge“ lockte rund 120 Gäste bei freiem Eintritt in die...

Anzeige

BINGEN. Neues Format: Die TH zeigt, wie Feierabend-Bier und Wissenschaftstalk zusammenpassen. Die Premiere der „Science Lounge“ lockte rund 120 Gäste bei freiem Eintritt in die Palais Bar, viel mehr als erwartet. Raus aus dem Hörsaal, rein in die Stadt – das Prinzip zieht Neugierige vom Schüler bis zum Pensionär an.

„Dürfen Autos töten?“ Die Frage zum Start der Reihe zeigt die Reichweite technischer Entwicklungen auf. Denn autonomes Fahren fordert klar auch die Auseinandersetzung mit ethischen Konflikten. Der Binger TH-Professor Jens Passek führte dazu in Dilemma-Experimente ein (siehe Internethinweis).

Aus Flugzeug-Entführungen ist die Frage bekannt: Darf man einen Jet mit unschuldigen Passagieren abschießen, um den Absturz in ein voll besetztes Stadion zu verhindern? Dürfen Menschenleben gegeneinander abgewogen werden, die 80-jährige Oma gegen das fünfjährige Kind? Passek lenkt das Publikum auf Konfliktfragen, auf Utilitarismus und Kants Imperativ. „Ich möchte bei autonom fahrenden Autos nicht in der Haut der Programmierer stecken“, fasst der Professor zusammen. Denn Technik übernimmt Verantwortung, wenn der Fahrer ihr Entscheidungen völlig überträgt.

Anzeige

Wichtig ist dem Professor die Essenz: Die Zahl der Verkehrstoten sinkt seit der Entwicklung von Autos rapide. Und wirkliche Grenzsituationen geschehen zum Glück höchst selten. Ein Gedankenmodell hinterlässt dennoch Nachdenklichkeit: Wenn ein Kind auf die Fahrbahn läuft und das Auto zum Ausweichen auf den Abgrund zurasen müsste, wie reagiert das Fahrzeug? „64 Prozent stimmten für das Überrollen des Kindes, anstatt die Autoinsassen in den Tod zu schicken“, zitiert Passek ein Umfrage-Ergebnis.

Dr. Benedikt Lattke von der Continental AG gibt im Anschluss einen Überblick in den Stand der Entwicklung von Fahrerassistenz-Systemen. Er zeigt Videos von selbstständig im Parkhaus rangierenden Autos, die sich per Smartphone herbeirufen lassen, und von fahrerlosen Taxis.

Autos, die mit Staupilot souverän zurechtkommen, sie sind längst entwickelt, aber noch nicht zugelassen. Längst lenken Systeme im Autopilot sicher über Schnellstraßen. Auch das zeigt ein Video. „Autobahnwechsel sind kein Problem, Baustellen aber eine Herausforderung“, sagt Lattke. Grundlage für die schlauen Wagen sind immer redundante Systeme von Sensoren, Kameras und Steuergeräten.

Sein Unternehmen glaube fest an die Zukunft des automatisierten Fahrens. Aber um ohne Griff zum Lenkrad von A nach B zu gelangen, seien noch viele Hürden zu nehmen – nicht nur technische. Die After-Work-Atmosphäre und Moderator Michael Lang (Allgemeine Zeitung) ermuntern zu lebhafter Diskussion. Oberbürgermeister Thomas Feser (CDU) freute sich über die große Resonanz. „Unsere TH ist zwar klein, aber sehr innovativ.“

Staatssekretär Dr. Salvatore Barbaro (SPD) lobte die Öffnung der TH als „Zentrum von Wissen für Fragen der Zukunft“. Sicher ein Grund für den großen Andrang: Mit der Cebit-Eröffnung und dem hunderttausendfachen Diesel-Rückruf auch bei Daimler bewegte sich die Themenwahl in aktuellem Nachrichten-Umfeld.

Anzeige

Das neue Format soll sich Zukunftsthemen der Digitalisierung und der Industrie 4.0 widmen. „Mindestens einmal pro Semester wollen wir die Science Lounge auf die Beine stellen“, kündigte TH-Präsident Klaus Becker an.