Bei Klausurtagung der SPD in der VG Rüdesheim: Weingarten...

Joe Weingarten äußert sich kritisch zu der Position seiner Partei beim Thema Flüchtlingpolitik. Archivfoto: Gert Schatto

Ex-Bundestagskandidat Joe Weingarten stellt sich erstmals in einer SPD-Versammlung der Diskussion zu seinen kritischen Äußerungen zur Flüchtlingspolitik – und findet...

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ROXHEIM. Eine Klausurtagung des SPD-Gemeindeverbandes in der VG Rüdesheim zu den kommenden Kommunalwahlen im Mai 2019 sollte es werden. Doch der Abend verlief weitgehend ganz anders. Denn es war ein Überraschungsgast gekommen, der mit der VG Rüdesheim gar nichts zu tun hat: Joe Weingarten aus Alsenz, unterlegener Bundestagskandidat der SPD im Wahlkreis Bad Kreuznach. Und der hatte gerade in den vergangenen Tagen Furore gemacht mit einem Interview in der AZ, in dem er einen neuen Kurs seiner Partei in der Flüchtlingspolitik verlangte.

Joe Weingarten äußert sich kritisch zu der Position seiner Partei beim Thema Flüchtlingpolitik. Archivfoto: Gert Schatto
Ministerpräsidentin Malu Dreyer ist laut Joe Weingarten beim Thema Flüchtlinge nicht konkret genug.Archivfoto: pa/Axel Schmitz

Der Abend im Roxheimer Gasthaus Hörning war nun für Weingarten die erste Gelegenheit, seine Thesen auch in der eigenen Partei vorzustellen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Für Weingarten wurde es kein Gang nach Canossa. Vielmehr fand er durchweg Zustimmung für seine Positionen – und selbst kritische Worte gegenüber der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

Der Waldböckelheimer Ortsbürgermeister Helmut Schmidt leitete die Diskussion mit der Bemerkung ein, sein Namensvetter und Bundeskanzler wäre in den 80er-Jahren gewiss restriktiver mit Flüchtlingen umgegangen: „Er hätte nicht für alle die Türen aufgemacht.“ Weingarten stimmte sofort zu, ja noch vielmehr: „Unter Helmut Schmidt wären alle sofort an der Grenze erfasst und registriert worden.“

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Drei Gruppen von Flüchtlingen

Für Weingarten gibt es drei Gruppen von Flüchtlingen: Asylsuchende, die aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen aufgenommen werden müssen. Arbeitssuchende, vor allem aus Afrika, die aber meist keine ausreichende Qualifikation haben. Und eine dritte Gruppe, die er „Gesindel“ nannte, und die kein Recht auf Aufnahme hätte. Der Roxheimer Michael Schaller griff das Stichwort „Wirtschaftsflüchtlinge“ auf: „Früher gab es das auch bei uns: Viele aus dem Naheland und dem Hunsrück sind nach Amerika ausgewandert – aus wirtschaftlichen Gründen.“ Aber, so warf ein anderes Mitglied ein, die Auswanderer hätten sich selbst darum kümmern müssen, wie sie klarkommen.

Wenn Flüchtlinge aber erst einmal hier seien, so Weingarten, dann müsse unsere Gesellschaft ein Ziel für sie haben: „Sie brauchen am Ende Arbeit. Denn du gehörst in Deutschland nur dann dazu, wenn du Arbeit hast.“ Weingarten gab zu, dass es letztlich schwierig sei, eine kritische Position zur jetzigen Einwanderungspolitik zu formulieren, ohne das Humanitäre zu vergessen: „Aber wir können nicht jeden nehmen. Natürlich haben Menschen, die vor Bomben flüchten, das Recht auf Asyl. Natürlich brauchen wir Fachkräfte. Aber die alle müssen auch Pflichten erfüllen, nämlich vor allem Deutsch lernen. Und klar, die Jüngeren müssen zur Schule.“ Weingarten grenzte sich auf Nachfrage aber auch klipp und klar von der AfD ab: „Bei denen heißt es: Wir lassen die, die überflüssig sind, im Mittelmeer verrecken. Das kann niemals unsere Position sein.“

Michael Schaller und weitere SPD-Mitglieder wollten wissen, welche Lösungsvorschläge denn nun die SPD habe. Weingarten antwortete, die SPD-Führung habe eine Position, die von den meisten Mitgliedern nicht getragen werde. Schaller versuchte, eine mögliche Alternative auf drei Begriffe zu bringen: „Aufnahme oder Ablehnung an der Grenze, Dokumentation, Integration.“ Helmut Schmidt warf ein, dass auch unter deutschen Bürgern die Armut zunehme: „Darüber redet niemand. Diese Leute fühlen sich einfach von der SPD vergessen und sehen auch, wie Flüchtlingsfamilien unterstützt werden.“ Gerade auf dem Land trauen sich viele Ältere gar nicht erst, zum Sozialamt zu gehen, weil sie das als Schande empfänden. Dazu Weingarten: „Jeder ist uns gleich viel wert. Wenn das nicht mehr gilt, dann können wir die SPD auflösen. Solche einfachen und klaren Worte vermisse ich auch bei unserer Ministerpräsidentin Malu Dreyer.“ Klar ist nach diesem Abend in Roxheim: Die SPD hat wieder etwas zu diskutieren.