Für alle 32 Dörfer lässt die Verbandsgemeinde Rüdesheim Hochwasserschutzkonzepte erarbeiten, die Anlieger vor allem bei plötzlichen Starkregenereignissen besser schützen sollen.
OBERSTREIT/SCHLOSSBÖCKELHEIM. Alle Wege des Wassers führen nach unten ins Tal, also genau dorthin, wo sich die Bewohner schon seit Generationen angesiedelt haben. Normalerweise bringt das keine Probleme. Was aber passiert, wenn ein Starkregen auf die Gemarkung niedergeht? Dann kann es geschehen, dass innerhalb von Sekunden die Kanäle das Wasser nicht mehr fassen, Bäche über die Ufer treten und die Ortskerne mit Schlammlawinen geflutet werden. So geschehen vor nicht allzu langer Zeit in Stromberg und in Fischbach.
Jetzt stehen Anwohner der Oberstreiter Weinbergstraße mit drei Fach-Ingenieuren zusammen. Anlieger Otmar Steeg deutet zum Hügel, auf dem oberhalb der Häuser die Felder liegen: „Hier kommt es runter.“ In einer kleinen Rinne neben der Straße sammelt sich das Wasser und fließt in einen Kanal. „Jede Woche mache ich den Einlauf sauber“, berichtet Steeg, „damit sich im Notfall nicht das Wasser staut.“ Ein paar Schritte weiter deutet er auf einen zugeschlammten Kanaldeckel: „Früher habe ich sogar regelmäßig die Sinkkästen saubergemacht, das schaffe ich jetzt aber in meinem Alter nicht mehr.“ Ingenieur Fredy Barth aus Wallhausen und seine Kollegen machen sich fleißig Notizen und halten die neuralgischen Punkte im Foto fest. Sie sind unterwegs im Auftrag der Verbandsgemeinde Rüdesheim. Für alle 32 Ortsgemeinden erarbeiten die Ingenieurbüros Barth und Icon aus Mainz Hochwasserschutzkonzepte für Starkregenereignisse. Dazu gehören Rundgänge der Fachleute mit den betroffenen Bürgern, Informationsveranstaltungen und letztlich die Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs zum Schutz vor plötzlich auftretenden Fluten. Dabei sind die Bürger gebeten, von ihren eigenen Erfahrungen mit Überflutungen zu berichten und auch Fotos oder Videos zur Verfügung zu stellen.
In der Weinbergstraße schlägt Fredy Barth vor, den Einlauf des Kanals zu verbessern, damit sich das Wasser nicht staut. Ein Regenrückhaltebecken oben auf dem Hügel zu bauen, sei dagegen eine schlechte Idee: „Das würde im Ernstfall überhaupt nichts nutzen“, ist der Fachmann überzeugt. Ortsbürgermeister Rudolf Sutor zeigt, über welche Straßen im Ernstfall das Wasser ins Dorf hinunterläuft, wo Höfe und Keller überflutet sowie Wege verschlammt wurden. Steil geht’s in der Straße Im Winkel hinunter. Ingenieur Barth sieht auf einen Blick: „Hier kann man nicht viel machen. Da geht man am besten gleich ins Obergeschoss und wartet, bis es vorbei ist.“
Ein Anlieger am Eichgraben zeigt das Regenrückhaltebecken direkt hinter seinem Haus. Vor Kurzem wurde zwar der Bewuchs zurückgeschnitten, doch am Einlauf hat das Wasser eine hohe Schwelle zu überwinden, so dass es erst einmal in den Garten des Anliegers und manchmal sogar in den Keller läuft. Das im Garten aufgestapelte Holz gefällt dem Ingenieur gar nicht: „Das muss weg, sondern wird es vom nächsten Hochwasser weggerissen.“ Vor allem werden sich die Fachleute jetzt aber Gedanken machen, wie das Regenrückhaltebecken umgestaltet werden kann, damit es seine Funktion optimal erfüllt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden auch Geld kosten, das verheimlichen die Ingenieure nicht. Klar ist aber auch, dass es Zuschüsse zum Hochwasserschutz nur dann gibt, wenn zuvor ein Konzept erarbeitet wurde.
Von Oberstreit fahren die drei Ingenieure weiter nach Schloßböckelheim. Dort wartet schon Lothar Brock mit einer Fotosammlung, auf der er festgehalten hat, wie im September 2014 der Entenbach den Ortsteil Tal überflutete: „Das Wasser lief bis ins Wohnzimmer.“ Die Ingenieure besichtigen das große Regenrückhaltebecken am oberen Ortseingang, in dem sich allerlei Gesträuch angesiedelt hat: „Das müsste einmal gründlich gesäubert werden“, meint Fredy Barth. „Die großen Bäume können aber stehenbleiben.“ Mit dem Entenbach selbst sind die Fachleute zufrieden, der Bachlauf ist freigeschnitten. Oben in Höhe des Friedhofs sind die Durchlässe auch so groß, dass Wassermassen ungehindert fließen können. Nur weiter unten im Dorf werden die Durchlässe immer enger: Hier staut sich also im Ernstfall das Wasser. Ortsbürgermeister Hartwig Suhr ist froh, dass sich jetzt in Sachen Hochwasserschutz etwas tut. Es wird noch eine Bürgerversammlung zum Thema geben. Die wichtigste Botschaft von Fredy Barth lautet: „Die ersten Maßnahmen sollen noch dieses Jahr über die Bühne gehen.“