Dass ein Interview mal eben ins Badezimmer verlegt wird, geschieht nicht oft. Bei Annette Sauer macht das Sinn. Denn wer sich in ihrem Badezimmer umsieht, dem fällt schnell...
HARGESHEIM. Dass ein Interview mal eben ins Badezimmer verlegt wird, geschieht nicht oft. Bei Annette Sauer macht das Sinn. Denn wer sich in ihrem Badezimmer umsieht, dem fällt schnell auf: Shampoo-Flaschen, Zahnpasta, Deodosen und Co sucht man vergeblich.
Nicht etwa, dass die Hargesheimerin der Körperhygiene abgeschworen hätte. Ganz im Gegenteil: Einen Großteil ihrer Seifen, Reinigungsmittel und Körperpflegeprodukte stellt die 49-Jährige selbst her. Doch das ist nur ein Teil der Geschichte: Sauer versucht so gut, wie es geht, auf Plastikverpackungen zu verzichten. Das tut sie schon seit Jahrzehnten. Doch in der gerade zu Ende gegangenen Fastenzeit hat sie ihre Bemühungen noch optimiert.
Deo, Zahnpasta oder Shampoo gibt es also, allerdings nicht in der gewohnten Plastikflasche, sondern in Glasbehältern. Auch Milch oder Joghurt kauft sie nur in Glasgefäßen. Das Trinkwasser kommt aus der Leitung und die Sauers filtern es, bevor sie es trinken. Wasserflaschen gibt es somit keine in diesem Haushalt.
Reinemachen wie zu Omas Zeiten
Einen großen Teil ihrer Lebensmittel bezieht Sauer außerdem im Rahmen einer sogenannten solidarischen Landwirtschaft von einem regionalen Landwirt. Mit Korb, Papier- oder Stofftaschen bestückt geht sie jede Woche zum Wochenmarkt und kauft ein. „Die Wurst ist teilweise eingeschweißt und auch das Papier vom Käse ist beschichtet“, gesteht sie. Manchmal gehe es eben nicht ohne Kunststoff. Auch die Sprühköpfe ihrer Reinigungsmittel sind aus Plastik. Dafür weiß Sauer genau, womit sie putzt. Scheuermilch oder Efeuspüli, Sauer stellt die Reinigungsmittel selbst her und füllt sie in Glasflaschen ab.
„Reinemachen wie zu Omas Zeiten“, steht darauf. Zerhackte Efeublätter in einer Tennissocke in der Wäsche funktionierten sehr gut als Waschmittel, erklärt Sauer weiter. Sogar ihre Putzlappen stellt die Hargesheimerin selbst her: Alte T-Shirts oder Handtücher eignen sich bestens dazu. Auch Wollreste oder sogar Paketschnur könne man zu Lappen und Spülschwämmen umfunktionieren, so Sauer.
„Legen Sie den Salat zum Beispiel in einer feuchten Stofftasche in den Kühlschrank, der bleibt super frisch“, erläutert sie einen ihrer neuesten Tipps, den sie in der Fastenzeit über den Internetblog www.plastikfasten.info von Anneliese Bunk erhalten hat. Auch einen anderen Trick hat sie dort erfahren: Glattlederschuhe kann man prima mit der Innenseite einer Bananenschale polieren.
Missionarisch will sie nicht auftreten
Ihre Devise lautet: Erst gar nicht so viel Plastikabfall verursachen und immer überlegen, wie man Behältnisse aller Art noch einmal verwenden kann. „Ich schmeiße jetzt auch nicht meine Tupperschüsseln weg, solange sie noch gut funktionieren“, betont Sauer und will nicht allzu missionarisch auftreten. Viel mehr möchte sie an die Menschen appellieren, ihre Gewohnheiten zu überdenken. „Wenn ich Erdbeeren einkaufe, wenn sie in Deutschland Saison haben, dann gibt es die in Pappbehältern. Sie haben keinen weiten Transportweg und müssen nicht mit Plastikfolie verpackt werden“, erläutert Sauer ein Beispiel. Wenn es dann doch einmal Plastik sein muss, plädiert sie dafür, eine große Menge zu kaufen und möglicherweise unter Freunden aufzuteilen, sodass nur einmal die Verpackung anfällt.
Ob Plastik oder nicht, die Sauers sind sehr bedacht darauf, so wenig Abfall wie möglich zu produzieren. Nach einer langwierigen Auseinandersetzung mit dem Abfallwirtschaftsbetrieb haben sie ihre Biomülltone sogar ganz abgeschafft. Ein Teil lande auf dem Kompost, Fleischreste gebe es keine und Zitrusschalen etwa verwerte sie in der Herstellung der Reinigungsmittel. Reste für den Müll machen die Sauers sowieso nicht. Was an Lebensmitteln im Haus ist, wird auch verwendet. „Jeder kann für sich selbst einmal überlegen, wo er vielleicht etwas verändern kann“, hofft sie und gibt ihre Tipps deswegen gerne weiter.