Mit Heißgetränken gegen Rechts

Bretzenheims Bürgermeister Thomas Gleichmann machte sich ebenfalls ein Bild von der Situation. „Die sollen doch endlich mal das Mahnmal in Ruhe lassen – die einen wie die anderen“, kommentierte er. Fotos: Sonja Flick  Foto:
© Foto:

„Einschenken fürs Aussteigen“ hieß die Devise des Vereins „Alternative JugendKultur Bad Kreuznach“(AJK), die in Kooperation mit dem „Netzwerk am Turm“ und der...

Anzeige

BRETZENHEIM. „Einschenken fürs Aussteigen“ hieß die Devise des Vereins „Alternative JugendKultur Bad Kreuznach“(AJK), die in Kooperation mit dem „Netzwerk am Turm“ und der Arbeitsgruppe „Bündnis gegen Rechts“ parallel zum Totengedenken am Mahnmal des „Feld des Jammers“ stattfand. Totengedenken bedeutete: Die einen hielten inne und beteten, die anderen nutzten das Mikrofon für ein Dutzend Reden, die die Deutsche Geschichte teils etwas anders interpretierten, als es in den Geschichtsbüchern nachzulesen ist. Rund 90 Teilnehmer lauschten den Worten. Hier und da zustimmende Jubelrufe, am Rande eher verständnisloses Kopfschütteln. Aber es blieb friedlich. Lediglich gegen sechs Teilnehmer der Veranstaltung wurde laut Polizeipräsidium Mainz ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Bretzenheims Bürgermeister Thomas Gleichmann machte sich ebenfalls ein Bild von der Situation. „Die sollen doch endlich mal das Mahnmal in Ruhe lassen – die einen wie die anderen“, kommentierte er. Fotos: Sonja Flick  Foto:

„Ständiges Dagegen kann nicht produktiv sein“

Der Stand des AJK in der Nähe des Bretzenheimer Kreisels am Ortseingang sollte jedoch keine Gegendemo werden, sondern viel mehr eine positive Botschaft. „Das ständige Dagegen kann nicht produktiv sein“, war Nicolai Zimmermann, Mitglied des AJK, völlig klar. „Wir möchten Menschen, die dem Rechtsextremismus verfallen sind, beim Ausstieg helfen“, sagte Zimmermann. Die Botschaft sei auf diesem Wege unterschwellig – es gehe schließlich nicht gegen die Menschen, sondern gegen deren Gedankengut.

Anzeige

Diese Botschaft fand Anklang, denn es blieben Leute am Stand stehen und kamen bei einem wärmenden Getränk mit den Aktiven des AJK ins Gespräch. „Auch mehrere Rechte wurden erfolgreich angesprochen und ihnen Informationsmaterial von „(R)AUSwege aus dem Extremismus“, dem rheinland-pfälzischem Aussteigerprogramm, übergeben, berichtete Zimmermann.

Auch einige Beamte zeigten Interesse am Stand und äußerten ihren positiven Eindruck. Dennoch fand Zimmermann die Praxis der Polizei teils fragwürdig. Denn wenn die Personen, die an der ersten Barriere und Kontrolle befragt wurden, zu welcher Veranstaltung sie gehen möchten, äußerten, dass sie zur Kundgebung wollen, wurden sie durchgelassen, obwohl die Möglichkeit bestand, von der anderen Seite – aus Bad Kreuznach kommend – die Veranstaltung zu besuchen. „Das ist insofern fragwürdig, da sogar bei Fußballspielen Fans getrennt werden, bei einer politischen Veranstaltung schien es jedoch nicht wichtig zu sein. Das führte dazu, dass Rechte mitten durch die Gegendemonstranten gingen und stören konnten“, kritisierte der 27-Jährige. Gleichzeitig habe es die Standbetreiber aber sehr gefreut, dass die Beamten sorgfältig mit den Besuchern umgegangen seien und Rechtsgesinnte direkt angewiesen hätten, den Zuweg zum Mahnmal zu umfahren.

Die Instrumentalisierung der Toten sah Zimmermann als problematisch an. „Am Mahnmal sollte allen Opfern des Krieges gedacht werden, so würde schon mal der ideologische Nährboden genommen werden“, sprach der 27-Jährige. Für Monika Can aus Langenlonsheim ist es das Innehalten, der Gedanke an ihren Vater, der nie aus dem Krieg zurückkehrte. Can kommt jedes Jahr her, die Langenlonsheimerin hat die Ungewissheit über den Verbleib ihres Vaters nie verwunden. „Es tut immer noch weh, dieses Nichtwissen“, erzählt Can, die sich mit ihrem Mann Erdogan auch in der Flüchtlingspolitik engagiert. Die Einladung zur Veranstaltung habe sie über die Jusos erhalten. „Wir müssen zeigen, zu was wir gehören und uns unterscheiden von den anderen“, erklärte die Langenlonsheimerin. Der eine Träne übers Gesicht kullerte, als die Aussage eines anders Gedenkenden sie trifft. „Ich stehe für mein Land, ich bin rechts“, habe der Mann ihr gesagt und sie und ihren Mann angewiesen, zu verschwinden, wenn ihnen diese Einstellung nicht passe.