Petra Kohrs, Spitzenkandidatin der Grünen für den Kreistag, kritisiert das bestehende System der Schulbuchausleihe des Landkreises Bad Kreuznach und fordert ein Umdenken.
KREIS BAD KREUZNACH. Ganz so stilsicher wie ihre Sitznachbarin Elke Kiltz ist Petra Kohrs noch nicht. Kein Wunder, schließlich ist Kiltz ein Urgestein der Grünen im Kreis Bad Kreuznach. Schon seit rund 30 Jahren dabei, zehn davon als Landtagsabgeordnete. Da weiß man eben, wie man sich inszeniert. Notizen macht sich Kiltz während der Pressekonferenz daher mit einem grünen Füller, vor ihr liegt ein grünes Handy mit einer grünen Hülle und – natürlich – trinkt sie einen grünen Tee. Kohrs hingegen bestellt erst einmal einen einfachen Cappuccino. Okay.
Anfang des Jahres wurde Petra Kohrs zur Spitzenkandidatin der grünen Kreistagsliste gewählt – neben dem Biologen Erwin Manz. Gemeinsam hat das Spitzenduo nun mit der Kreisvorsitzenden Elke Kiltz und ihrem Stellvertreter Stefan Boxler in den Kreuznacher RegioMarkt eingeladen, um ihr grünes Wahlprogramm zur Kreistagswahl am 26. Mai vorzustellen. Eine zweiseitige Liste an politischen Zielen, gedruckt auf gräulichem Recyclingpapier. Es war aber vor allem eine Forderung von Petra Kohrs, die nicht auf dem Papier stand, aber dennoch aufhorchen ließ. Kohrs, Rektorin an der Geschwister-Scholl-Schule Wallhausen und Waldböckelheim, sagte: „Ich bin für die vollständige Lernmittelfreiheit im Kreis. Das derzeitige Modell, die Schulbuchausleihe, ist ehrlich gesagt die dümmste Erfindung, die es gibt.“ Oha.
Seit dem Schuljahr 2010/11 bietet der Landkreis das System der Schulbuchausleihe an, um, wie es auf der Kreis-Internetseite heißt, „Eltern finanziell zu entlasten“. Zu Beginn galt das Angebot nur für die Klassen fünf bis zehn. Inzwischen aber können sämtliche Schüler von Grundschulen, weiterführenden Schulen und Berufsschulen teilnehmen. Und das kostet natürlich. Denn während die Eltern finanziell entlastet werden, zahlt der Kreis für die Ausleihe kräftig drauf. Für das Schuljahr 2017/18 waren das 213 000 Euro. Kohrs sagte dazu: „Dieses System ist die kostenintensivste Lösung aller Möglichkeiten.“
Hinzu kommt auch die bürokratische Mehrarbeit, die hinter dem System steckt. „Der Aufwand ist einfach enorm, gerade für die Schulsekretärinnen“, sagte Kohrs. Und mit dieser Meinung steht sie nicht alleine da. Erst Ende März bezeichnete der zuständige Beigeordnete der Stadt Bad Kreuznach, Markus Schlosser, die Schulbuchausleihe ebenfalls als „Bürokratiemonster“. Kreisweit nahmen allein im vergangenen Schuljahr 3200 Schüler an der Ausleihe teil. Für das neue Schuljahr liegen laut Auskunft der Kreisverwaltung bislang 2144 Anmeldungen vor für die kostenfreie Ausleihe von Büchern. Die Anmeldung für die kostenpflichtige Ausleihe beginnt erst in einigen Wochen. Das heißt für die Sekretariate: Anträge annehmen, erfassen, weiterleiten – und später die Bücher austeilen. Das hatte in den vergangenen Jahren die Sekretariate phasenweise komplett lahmgelegt.
„Und deshalb fordern wir als Grüne die vollständige Lernmittelfreiheit“, wiederholte Kohrs noch einmal zum Abschluss. Vollständige Lernmittelfreiheit heißt, dass sämtliche Materialien, wie Schulbücher oder Übungshefte, den Schülern kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Eine Praxis, die an den Förderschulen bereits praktiziert wird – und die laut Kohrs ausgeweitet werden muss, sollte sie in den Kreistag gewählt werden. Denn sowieso: „Ich finde, es sollten mehr Menschen in den Kreistag, die wirklich im Leben stehen.“ Und somit wissen, was ihre Entscheidungen für die Praxis bedeuten, findet Kohrs, vor ihr ein Cappuccino, bestellt im RegioMarkt – ein Bio-Markt mit regional und ökologisch erzeugten Produkten. Ja, inszenieren, das können sie, bei den Grünen.