Dr. Hinrich Schmöe soll verhindern, dass der ländliche Raum weiter abgehängt wird. Dazu spricht er an diesem Tag vor dem Ausschuss für Kreisentwicklung und Demografie, hat...
KREIS BAD KREUZNACH. Dr. Hinrich Schmöe soll verhindern, dass der ländliche Raum weiter abgehängt wird. Dazu spricht er an diesem Tag vor dem Ausschuss für Kreisentwicklung und Demografie, hat seinen Laptop aufgeklappt, geht Folie für Folie durch. Sein Auftrag: Ein neues Konzept für den öffentlichen Personennahverkehr, das er erstmals ausführlich im Kreishaus vorstellt.
2016 hat der Landkreis beim hessischen Planungsbüro IGDB den Wunsch geäußert, den Bus- und Bahnverkehr zu reformieren. Das Ziel: sämtliche 118 Dörfer im Kreis in einem engmaschigen ÖPNV-Netz zu verweben. Jede Gemeinde soll ab 2022 Montag bis Freitag mindestens alle zwei Stunden von einem öffentlichen Transportmittel angesteuert werden. Im Idealfall sogar noch häufiger (die AZ berichtete).
Ein ambitioniertes Vorhaben. Und ein teures, wie Dr. Schmöe vom IGDB-Planungsbüro dem Ausschuss mitteilt. In Zahlen: 2,9 bis 3,5 Millionen würde es kosten, das neue ÖPNV-Konzept umzusetzen. Demgegenüber stehen 1,6 Millionen Euro, wenn der Kreis beim bisherigen Status quo verharren würde. Doch Dr. Schmöe warnt: „Das wären Ausgaben von 1,6 Millionen Euro, um ein unwirtschaftliches System am Laufen zu halten.“
Ziel: Mehr Fahrten, mehr Linien, mehr Attraktivität
Während der Schienenverkehr im Kreis gut ausgebaut sei, erklärt Dr. Schmöe, habe sich der ÖPNV auf der Straße in der Vergangenheit zu stark auf den Schülerverkehr konzentriert. Das berge gleich mehrere Probleme. Zum einen bestehe dadurch kein strukturiertes Angebot, sondern lediglich Einzelfahrten zu Schulzeiten, die von Erwachsenen kaum genutzt werden. Zum anderen gingen auf dem Land die Schülerzahlen zurück, weshalb das Angebot für die Busunternehmen zusehends unwirtschaftlich wird. An diesem Punkt haben Schmöe und seine Kollegen angesetzt. Mehr Fahrten, mehr Linien, mehr Attraktivität – vor allem für die Menschen auf dem Land. „Wir wollen mit unserem Angebot die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse vorantreiben“, spricht Dr. Schmöe große Worte aus.
Seinem Konzept nach sollen ab 2022 von 156 820 Einwohner im Landkreis 51 Prozent an den Schienenverkehr angeschlossen sein, 48 Prozent an lokale und regionale Buslinien – und ein Prozent an ein Ruftaxi. Landrätin Bettina Dickes erklärt: „Ruftaxis haben feste Zeiten, alle zwei Stunden. Mindestens eine halbe Stunde vor der Abfahrt muss man anrufen, damit es den Schlenker über das Dorf macht.“ Ausschließlich Gemeinden im Westen des Kreises, mit wenigen Einwohnern, sind laut Konzept von der Ruftaxi-Regelung betroffen.
Michael Schaller (SPD) fragt in Anbetracht der angespannten Haushaltssituation des Kreises: „Waren bei den Planungen finanzielle Rahmen gesetzt?“ Dr. Schmöe räumt ein: „Nein, wir haben die finanzielle Perspektive ausgeblendet.“ Gleichwohl führt der Planer aus, dass sicherlich noch finanzielle Spielräume bestünden.
Zum Thema Wirtschaftlichkeit hakt Ausschussmitglied Bernd Krziscik nach: „Was ist, wenn wir das Konzept umsetzen, dann aber nur leere Busse zu attraktiven Zeiten fahren.“ Eine Frage, der sich Michael Puschel annimmt, der koordinierende Referent von Rheinland-Pfalz-Takt: „Wir müssen dem Angebot Zeit geben, die Menschen sind vom ÖPNV entwöhnt. Wenn aber das System attraktiv ist, wird es auch irgendwann angenommen.“ Wie im Raum Trier, den Puschel als Beispiel anführt.
Auch Landrätin Dickes sieht im neuen Konzept Chancen – etwa im Tourismus. „Gespräche über eine Tourismus-Karte laufen, mit der Gäste das komplette ÖPNV-Netz bei uns mitbenutzen dürfen“, berichtet die Landrätin.