Claudia Wunsch und Manfred Welschbillig aus dem Kreis Bad Kreuznach helfen als ehemalige Patienten als Genesungsbegleiter in psychiatrischen Einrichtungen.
KREIS BAD KREUZNACH. „Ich habe mit der Krankheit eigentlich nichts zu tun. Ich bin nur dafür da, mich mit dem betreffenden Menschen zu beschäftigen“: Claudia Wunsch (51) weiß aus eigener Erfahrung, wie sich Menschen in der Psychiatrie fühlen. Sie selbst hat jahrelang unter Angstgefühlen und Depressionen gelitten. Heute arbeitet die ehemalige Patientin als Genesungsbegleiterin in der Rheinhessen-Fachklinik in Alzey. Sie ist zuständig für insgesamt 26 Patienten in der geschlossenen Abteilung. Und sie sagt dazu: „Ich weiß, was die Angehörigen empfinden – und ich weiß, dass es einen Weg nach draußen gibt.“
Mit genügend Zeit für die, die gerade Hilfe brauchen
Claudia Wunsch berichtet in ungewohnter Umgebung von ihrer Arbeit. Der Kreisbeirat für Menschen mit Behinderung hat sie eingeladen, um das Modell hinter ihrer Arbeit besser kennenzulernen, ebenso wie Manfred Welschbillig (58) von der Kreuznacher Diakonie. Auch er ist als Genesungsbegleiter ausgebildet, nachdem er selbst 25 Jahre lang unter einer psychischen Erkrankung gelitten hatte. „Ex-In“ heißt das Modell im besten Neudeutsch nach „Experienced Involvement“, also Beteiligung von Psychiatrie-Erfahrenen. Die Verantwortlichen von psychiatrischen Einrichtungen haben nämlich gemerkt, dass die Anwesenheit Psychiatrie-erfahrener Begleiter einen sehr großen Einfluss auf die Verbesserung des Angebots für Patienten hat. Dazu Manfred Welschbillig: „Wir arbeiten mit Menschen, nicht mit Diagnosen.“ Claudia Wunsch berichtet, die meisten Patienten seien es gewöhnt, dass Ärzte und Pflegepersonal nie genügend Zeit für sie hätten. Sie aber gehe dorthin, wo gerade Not ist – und sie hat die notwendige Zeit. Aber: „Wenn Notfälle kommen, dann wird es eng.“ Anfangs sei ihre Arbeit von vielen in der Klinik mit Unverständnis betrachtet worden. Inzwischen hätten sich die Kollegen jedoch davon überzeugt, wie hilfreich auch für sie die Arbeit der Genesungsbegleiterin ist, denn sie als ehemalige Patientin habe nun einmal einen ganz anderen Zugang zu den jetzigen Patienten. Doch zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass Claudia Wunsch nach ihrer Arbeit oft sagen muss: „Natürlich geht es auch mir manchmal danach nicht gut. Aber ich bekomme das in den Griff.“
Eine anerkannte Ausbildung für den Genesungsbegleiter gibt es nicht, auch kein offizielles Berufsbild. Es werden zwar Kurse angeboten. Die meisten potentiellen Teilnehmer hätten jedoch Probleme, diese zu finanzieren, berichten die Genesungsbegleiter. Curd Rothmann, Leiter des Sozialamtes beim Kreis, fragt: „Wie erreichen wir mehr Menschen, die den Mut haben, das zu machen?“ Auch er wünscht sich mehr solcher Kurse und sagt zu, sich um die Finanzierungsfragen zu kümmern. Welschbillig und Wunsch haben beide solche Kurse absolviert. Sie sagen aber auch, dass von jeweils zwanzig Interessenten nur sie selbst übriggeblieben seien. Ihre Kliniken wollen auf die Hilfe ihrer Genesungsbegleiter nicht mehr verzichten. Welschbillig berichtet von einem Mitarbeiter in den Werkstätten, der partout jede medizinische Behandlung ablehnte: „Ich habe lange mit ihm gesprochen, bin auf alle seine Sorgen eingegangen – bis er sich aus freien Stücken zum Arzt und dann in eine vollstationäre Behandlung begeben hat.“