Auf dem Wohnzimmertisch von Caroline Freifrau von Wangenheim steht eine Flasche Moët, Champagner der edleren Sorte, daneben liegt ein Plastiktütchen mit Hundekuchen. Quer...
NEU-BAMBERG. Auf dem Wohnzimmertisch von Caroline Freifrau von Wangenheim steht eine Flasche Moët, Champagner der edleren Sorte, daneben liegt ein Plastiktütchen mit Hundekuchen. Quer durch den Raum ist ein kniehoher Zaun gespannt, die klassische Kläfferbremse, „damit die Tiere nicht überall herumrennen“, erklärt die Adelige. 15 Hunde streunen an diesem Tag um ihr Haus, Cairn Terrier bis italienische Dogge, Gäste der „Hundepension an der Weidenmühle“ vor Neu-Bamberg. Dem Reich der Baronin.
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Es ist Vormittag, Caroline von Wangenheim sitzt im Garten in einem weißen Pavillon, raucht Zigarette, superslim. Sie trägt Hemd unter Pullover, behält die Sonnenbrille an. Ihr Lächeln ist eines, das literarisch als ansteckend bezeichnet wird. Ladylike würde der Brite sagen. Statt einer Klingel gibt es an der Hundepension nur eine Glocke. Wie bei einem Schloss. Wird sie gebimmelt, bricht es los, das Inferno aus Hundegebell. Caroline von Wangenheim mag das, durch die Hunde ist immer Leben in der Bude.
Die Baronin entstammt einer alten Adelsfamilie. Noch ihr Großvater lebte in einem Schloss in Thüringen, ein Bau voller Kunstwerke und mit einer Bibliothek mit über 3000 Büchern. Die Erstpressung der Bibel darunter. 1945 dann die Enteignung, die Familie zieht nach Wiesbaden. Caroline von Wangenheim wächst in bürgerlichen Verhältnissen auf, geht auf ein humanistisches Gymnasium, pendelt zwischen Abipartys und Abendbällen. Ihr erstes Auto: ein Fiat 500, mehr Kleinwagen geht kaum. Trotzdem ist die Erziehung durch die adeligen Wurzeln geprägt. „Das heißt aber nicht, dass wir steif erzogen wurden, im Gegenteil, aber es gibt einfach Sachen, die wir nicht machen.“ Themen wie Politik und Religion sind am Esstisch tabu. Auch heute noch.
Ein lebender Kontrast – morgens T-Shirt, abends Bluse
Vor zwölf Jahren ist Caroline von Wangenheim nach Neu-Bamberg gezogen, in das Häuschen neben der riesigen Trauerweide an der L 409, weiße Fassade, rotes Dach. Auf der Werbe-Tafel ihrer Pension starren einen Comic-Hunde an. Hier lebt die Baronin ein kontrastreiches Leben zwischen Hundefütterung und Gartenpartys. Morgens T-Shirt, abends Bluse. „Ich habe schon immer Hunde gerne gehabt, ich bin 30 Jahre zur Jagd hinter ihnen hergeritten“, erklärt sie ihre Berufswahl. Hunde seien für sie etwas Besonderes.
Die erste Heirat der Adeligen ist mit einem Bürgerlichen, einem Fotografen, inklusive Standesverlust. Die Ehe scheitert. Die zweite Hochzeit bringt sie wieder zurück in den Adelsstand. Sie heiratet einen Baron aus dem Münsterland, wohnt fortan mit ihm und seiner Familie in einem Schloss im nordrhein-westfälischen Warendorf. Dort, wo jährlich die großen Reitturniere stattfinden. Auch Caroline von Wangenheim reitet über ihre Ländereien. Was allerdings wie der Beginn eines modernen Märchens klingt, ist der Anfang der schwersten Zeit ihres Lebens. Die Ex-Frau des Münsterländer Barons „ist nach Afrika durchgebrannt, zu ihrem Lover“, erzählt Caroline von Wangenheim, seine drei Kinder im Jugendalter akzeptieren sie nicht als neue Mutter. „Die Alte war weg, die Neue haben sie gehasst“, fasst die Baronin zusammen.
Vor der Hundepension in Neu-Bamberg parkt der Subaru Outback der Baronin, ein Mittelklasse-SUV. Einst war das Haus eine Autowerkstatt, Baronin Wangenheim hat es als eine Hundepension ausbauen lassen – mit Zäunen um das Gelände, hoch wie Burgmauern, damit die Hunde im Garten Auslauf haben, aber nicht ausbüxen. An ihrer Haustür ist eine Flasche destilliertes Wasser zum Türstopper umfunktioniert worden. Das kleine Tor hoch zum Garten klemmt manchmal. Abends sitzt Caroline von Wangenheim gerne zugedeckt im Wintergarten, liest ein Buch, während draußen die Hunde vor der Scheibe auf und ab laufen. An den Wänden hängen gerahmte Bilder, Erinnerungen an vergangene Tage.
Im Schloss bei Warendorf wird die Baronin gemobbt, nicht nur von den drei Kindern, auch vom Schwiegervater. „Mein Mann konnte sich in den Verhältnissen nicht durchsetzen.“ Der Ton ist rau, die Worte oftmals verletzend. „Ich bin irgendwann nur noch durch den Keller in mein eigenes Zuhause, weil ich niemandem begegnen wollte.“ Hat die Familie Besuch, traut sich Caroline von Wangenheim kaum in die Küche. „Mein Selbstwertgefühl war in der Zeit nicht mehr vorhanden.“ Fremd im eigenen Heim, eine Baronin im Schloss, doch weit entfernt von einem Märchen. Eine bedrückende Zeit, auch heute spricht sie ungern öffentlich darüber. Fünf Jahre hält es Caroline von Wangenheim im Münsterland aus, dann flieht sie. Bis nach Neu-Bamberg.
Überhaupt nicht vermisse sie die Zeit im Schloss, beteuert die Baronin im weißen Pavillon sitzend, sie zieht die Sonnenbrille ab. Titel seien nicht alles im Leben, führt sie aus, genauso wenig wie Schlösser. „Was zählt, ist die innere Haltung“, sagt sie und blickt einen mit großen Augen an. Wer verbittert ist, verliert. Glück hänge nicht mit Materiellem zusammen. Sie hat begonnen, sich selbst zu verwirklichen, nebenberuflich unterrichtet sie als Museumspädagogin Kinder in Geschichte. Manchmal trifft sie sich mit anderen Adeligen aus dem Landkreis, dann wird gekocht, getrunken, geredet. Über Pferde, über Hunde. „Jetzt habe ich hier meine eigene Heimat“, sagt sie und lächelt ihr ansteckendes Lachen. Ja, sie hat jetzt ihr eigenes Schloss, ihre eigene Hundepension, Zäune hoch wie Burgmauern, immer Leben in der Bude. Im Reich der Baronin.