Bert Gerecht kennt sich aus in der Musikszene des Rhein-Main-Gebiets. In seiner Biografie „Mr. Bassmann“ erzählt er von Ami-Clubs der 60er-Jahre, der GEMA heute und Hasch-Pfeifen.
KREIS BAD KREUZNACH. KREIS BAD KREUZNACH. Seit Jahrzehnten ist Bert Gerecht eine „Hausnummer“ in der Musiker-Szene des Rhein-Main-Gebiets, vor allem als Bassist und als Spezialist für Instrumente für tiefe Töne. Gerecht hat immer Tagebuch geführt – daraus und aus seinen Erinnerungen ist das biografische Buch „Mr. Bassman geht tief runter“ entstanden. Wir sprachen mit Gerecht über sein Werk.
Herr Bert Gerecht, Sie sind kein Weltstar, haben mit keinem Weltstar gespielt und mit keinem Weltstar Sex gehabt – und doch schreiben Sie eine Biografie. Was wollen Sie erzählen?
Ich war schon in der Grundschule ein Erzähler und hab meine Mitschüler mit selbsterfundenen Geschichten unterhalten. Das hat nie aufgehört, und bereits vor dreissig Jahren sagten mir Freunde und Mitmusiker, das ist alles sehr lustig, schreib das doch mal auf. Nach einem ersten Interview über meine Mr. Bassman Zeit in einer großen Musikerzeitschrift vor zehn Jahren (30 Jahre Mr. Bassman) fing ich an, da drüber nachzudenken. Außerdem lese ich gerne Musikerbiografien. Als ich vor zwei Jahren die Biografie eines befreundeten Gitarrenbauers las, dachte ich, soviel Scheißdreck hast du eigentlich auch erlebt. Es sind ja nicht nur die Highlights, sondern auch die Lowlights, die ich beschreibe .... Tausendmal auf die Fresse gefallen, immer wieder aufgestanden. Wenn´s auch schwerfiel. Das wurde mir erst klar, als ich die ersten Rückmeldungen und Rezensionen zu meinem Text bekam. Aber da steh ich dazu.
Sie haben im Raum Frankfurt und Rhein-Main Jahrzehnte als Musiker erlebt. Was war in den 60er und 70er-Jahren anders als heute?
Damals gab es viel mehr Clubs, in denen Live-Bands spielen konnten. In jeder Stadthalle, in jedem Dorf gab es Spielmöglichkeiten. Wir spielten Soul- und Rockhits, traten regelmäßig in Ami-Clubs auf, samstags- und sonntagnachmittags auch in deutschen Diskotheken, und abends nochmal in einem anderen Club. In der Regel hatten wir drei Gigs in der Woche. Meistens in US-Military-Clubs auf dem Kasernengelände. Und jeder von uns hatte nach einem Auftritt mindestens hundert Mark in der Tasche. Das war 1968 richtiges Geld! Diese Infrastruktur gibt es heute nicht mehr. Die Leute gehen weniger weg, hängen lieber am Computer und am Smartphone. Deshalb gibt es weniger Clubs, auch weil die GEMA viel teurer geworden ist. Heute reißen sich Hunderte von Bands darum, in kleinen Kneipen spielen zu dürfen, in denen die Gage, wenn´s denn eine gibt, in den Hut entrichtet wird. Und das Publikum scheint nur noch hören zu wollen, was es sowieso schon kennt. Cover-Bands und Tribute-Bands sind gefragt, Rockabilly-Happenings liegen im Trend – aber wer seine eigene Musik verkaufen will, hat es schwer.
Sie schreiben relativ offen über die Einnahme von Drogen. Gehörte das früher zum Musizieren einfach dazu?
Meine ersten Hasch-Pfeifen und Joints rauchte ich mit schwarzen Musikern im Backstage-Bereich. Und dann ab auf die Bühne ...! Wahnsinn! Was man so mit 17, 18 Jahren alles mitmacht! Ende der 60er war das alles ganz neu und total aufregend ... Es war die Zeit der allgemeinen Bewusstseinserweiterung. Die amerikanischen Musiker aus der Army, mit denen wir spielten, hatten immer sehr gutes Zeug dabei und teilten gerne mit uns. Wer damals nicht kiffte, war automatisch ein Spießer. Mir haben die Drogen neue Welten gezeigt und generell den Kopf für Neues geöffnet, was sonst nicht so passiert wäre ... Aber ich kann es grundsätzlich nicht empfehlen. Die Drogenzufuhr macht einen nicht automatisch zu einem besseren Musiker. Man braucht Talent und muss üben ... Da geht kein Weg dran vorbei! Aber viele hat es zu toten Musikern gemacht. Ich hab Glück gehabt - ich hab´s überlebt.
Sie beschreiben Ihre musikalische Vergangenheit vor allem als Bassmann. Also vom Image her eher der Mann im Hintergrund. Was macht einen Bassisten wichtig für die Band, was macht einen guten Bassisten aus?
Der Bassist ist das Rückgrat der Band. Keine Musik kommt ohne die tiefen Töne aus. Als Bassmann ist man der Tiefton-Experte - mit einem schönen Sound immer auf den Punkt zu sein, das ist es. Als Bassist hat man den Job, die anderen Musiker gut aussehen zu lassen. Das wird generell vom Publikum nicht so wahrgenommen. Den Bassisten bemerkt man erst, wenn er aufhört zu spielen. Dann fehlt die Basis. Das ist die hohe Kunst - die drei Töne zu drücken, damit alle happy sind!
Sie vermarkten ja selbst hochwertige Bässe der Marke Hot Wire. Warum spielen Sie in Ihrer Band nicht Bass, sondern Gitarre?
Ich wusste, dass diese Frage kommt! Ich bin mit Leib und Seele Bassist seit 1968 und stand über 40 Jahre neben dem Schlagzeuger hinter diversen Sängern und Gitarristen, und hab da oft gedacht: Das kannst du eigentlich auch ... Ich habe in meiner eigenen Band Crazee Inlaws anfangs Bass gespielt, dann aber fehlte eine Tages der Sänger. Mittlerweile hatte ich schon angefangen, Gesang und Bass gleichzeitig zu üben ... Das ist nicht so einfach, weil man untenrum eine durchgängige Bassfigur am Laufen halten muss, ohne zu wackeln, und oben den Gesang draufsetzt, der manchmal total gegenläufig ist. Als dann ein neuer Drummer dazukam, mit dem ich jahrelang als Jazz-Bassist zusammengespielt hatte, sagte der: „Wenn du singst, wackelt der Bass“. Da schlug meine Frau Petra vor, ich solle zur Gitarre wechseln, und wir suchen einen Bassisten. Das hab ich erst weit von mir gewiesen, ich dachte, als „Mr. Bassman“ kann ich doch nicht Gitarre spielen ... Aber es geht in erster Linie um die Musik. Und Gitarre spiele ich ja schon seit 1964 ... Also hab ich es versucht, und es war gut. Wir hatten einen ersten Auftritt auf einem Straßenfest 2012, auf zwei Gitarren und mit unserem Sohn Raphael am Cajon, und keiner ist weggelaufen. Unser Nachbar meinte sogar: „Mer kann´s gut hör´n ...“ Also bin ich seit 2012 Sänger und Lead-Gitarrist und hab da viel Spaß!
Ihr Buch endet irgendwie abrupt, und man stellt unwillkürlich die Frage: Ist das jetzt das Ende?
Ich wunderte mich nach einem Jahr Schreibarbeit, dass plötzlich 400 Seiten voll waren und habe dann beschlossen, es endet erstmal im Jahr 2000, und es wird noch einen zweiten Band geben. 400 Seiten sind schon viel, aber viele Leser meinten, sie hätten sich selbst wiedergefunden und das Buch in zwei Tagen verschlungen. Und fragten gleich: Wann geht´s weiter? Es ist ja noch einiges passiert ... Zum Beispiel meine Lehrer-Tätigkeit an diversen Schulen von 2003 bis 2013 ... Und obskure Erlebnisse mit den diversen Bands, die ich seither hatte, und die Begegnungen mit Hunderten von Kunden, die sich von mir ihre Bässe nach Wunsch bauen ließen. Langweilig ist mir nie!
Die Fragen stellte Robert Neuber